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Er liest, sie spielen

 
Vor 50 Jahren nahm der amerikanische Schriftsteller Jack Kerouac zwei Alben mit Jazzmusikern auf. Zum Jubiläum werden sie nun neu aufgelegt.

Jack Kerouac Poetry

In den Texten des Poeten Jack Kerouac lebten sie, „die Kinder der amerikanischen Bop-Nacht“. Da war der junge Charlie Parker, der aus Kansas City nach Harlem gekommen war, „übend an regnerischen Tagen“. Er steckte so voller Energie, dass er auf der Bühne „im Kreis lief, während er spielte“. Jack Kerouac ging zu den Konzerten des Altsaxofonisten und ließ sich von ihm inspirieren. Nach Parkers Tod im Jahr 1955 widmete Kerouac ihm das Gedicht Charlie Parker. Es erschien Ende der Fünfziger in dem Gedichtband Mexico City Blues. Im Vorwort des Bandes schrieb Kerouac: „Ich möchte als Jazz-Dichter verstanden werden, der einen langen Blues spielt, in einer Jam-Session an einem Sonntagnachmittag, 242 Refrains.“

Ende der fünfziger Jahre nahm Kerouac zwei Schallplatten auf. Er las seine Texte, Musiker improvisierten eine Untermalung. Auf Poetry For The Beat Generation spielte Steve Allen das Klavier, bei Blues And Haikus begleiteten die Tenorsaxofonisten Al Cohn und Zoot Sims den Literaten. Bob Thiele produzierte die Aufnahmen für die Plattenfirma DOT Records, später wurde er durch seine Aufnahmen mit John Coltrane bekannt. Die Platten sind seit Jahren nur schwer erhältlich, zum 50. Jubiläum werden sie nun neu aufgelegt.

Poetry For The Beat Generation entstand Anfang des Jahres 1958. Die ersten Presseexemplare waren bereits verschickt, da stoppte Labelchef Randy Wood den Vertrieb. Ihm sei aufgefallen, erklärte er der Zeitschrift Variety, dass die Texte nicht jugendfrei seien. Er wolle seinen Kindern so etwas Anstößiges nicht zumuten, seine Plattenfirma würde nur „saubere Familienunterhaltung“ veröffentlichen. Bob Thiele war außer sich und kündigte bei DOT. Mit Steve Allen gründete er die Plattenfirma Hanover Signature und brachte die Aufnahmen Kerouacs im Sommer 1959 selbst heraus.

Auf dem Album liest Kerouac auch sein Gedicht über den verstorbenen Charlie Parker. Verzweiflung klingt in seiner Stimme, er vergleicht Parker mit Buddha und Beethoven. Steve Allen deckt die quälenden Worte mit seinem sanften Klavierspiel zu. Es ist seltsam, die Texte Kerouacs ausgerechnet von Allen begleitet zu hören, denn als Provokateur galt der Pianist nie. Kurz nach ihrem Zusammenspiel lud er Kerouac in seine betuliche Steve Allen Show ein und befragte ihn zu dem Buch On The Road.

Jack Kerouac Blues And Haikus

Noch im selben Jahr produzierte Thiele eine weitere Aufnahme mit Kerouac, diesmal begleiteten ihn Zoot Sims und Al Cohn ins Studio. Kerouac schrieb danach: „Schon immer dachte ich, es müsse wunderschön sein, nur ein Saxofon zu haben. Ohne Rhythmusgruppe oder Klavier. Einfach das pur vibrierende Horn. Zoot und Al blasen gedankenvoll süße, metaphysische Sorgen.“ Blues And Haikus wurde im Oktober 1959 ebenfalls bei Hanover veröffentlicht.

Die beiden Platten könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Steve Allens Klavierspiel die Gedichte eher plaudernd untermalt, setzen Zoot Sims und Al Cohn kraftvolle Kontrapunkte mit zerrissenen, perkussiven Tönen. Wie Presslufthämmer stemmen ihre Hörner den Asphalt der Worte auf. Sie bringen die einsam im Sonnenlicht flirrenden Straßen ebenso zum Vibrieren wie die von Musikern, Nachtschwärmern, Liebenden und Verzweifelten bevölkerten nächtlichen Straßen New Yorks. Kraftvoll klingt das, eben on the road.

„Poetry For The Beat Generation“ von Jack Kerouac und Steve Allen sowie „Blues And Haikus“ von Jack Kerouac, Al Cohn und Zoot Sims wurden bei EMI wiederveröffentlicht.

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