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Untergang mit wehenden Fahnen

 

Die Kings Of Leon galten als die Erben Led Zeppelins, sie spielten rotzigen Rock’n’Roll im frischen Uraltklang. Die Energie scheint verpufft zu sein: Ihr neues Album klingt bartlos und verdächtig nach U2

Bono ist ein gefährlicher Mann: Er vergiftet die Gehirne von Musikern. Das Spätwerk seiner Band U2 bietet eine Schablone, derer sich viele Bands bedienen, wenn es weiter gehen soll. Weiter im Sinne von Stadionrock, weiter im Sinne großer Gesten, weiter im Sinne von Zugänglichkeit. Am Ende steht meist ein Weiter im Sinne oberflächlicher Tiefgründigkeiten und enervierender Allgegenwärtigkeit. Coldplay klingen heute, als wären sie gern U2 und schreiben Lieder, die wirklich jedem gefallen können. Nun probieren’s die Kings Of Leon.

Noch auf ihren ersten beiden Alben Youth And Young Manhood (2003) und Aha Shake Heartbreak (2005) inszenierte sich die Band als die südstaatlichen Strokes, spielten rotzigen Rock’n’Roll im frischen Uraltklang. Die drei Brüder aus Tennessee, dazu ein Cousin, gaben die langbärtigen Rockgötter, die Led Zeppelin des neuen Jahrtausends. Schon auf Because Of The Times deutete sich im vergangenen Jahr eine Neuorientierung an, die mit dem neuen Album Only By The Night an ein Ziel gelangt zu sein scheint.

Die Bärte sind nun ab, frisch geföhnt posieren die Musiker auf den Werbefotos. Schon in der Vergangenheit waren die Texte des Sängers Caleb Followill wenig preisverdächtig, nun sind sie nur noch mit Betäubungsmitteln genießbar. In der Ballade Reverly etwa singt er: „Was für eine Nacht für einen Tanz / Weißt du, ich bin ja eine Tanzmaschine / Packe Feuer in meine Knochen / Und den süßen Geschmack von Kerosin.“ Und in dem Stück 17 geht es natürlich um ein Mädchen, das „erst siebzehn“ ist. Dermaßen zur Pose erstarrte Rockerklischees kann man im Jahr 2008 allenfalls Lemmy von Motörhead abnehmen.

Die Musik ist nicht origineller als diese Texte. Die Kompositionen sind formelhaft, die Strukturen absehbar, es herrscht Einfallslosigkeit. Mochte man Because Of The Times noch als Album des Übergangs akzeptieren – bei aller Kritik musste man doch seine bebende Energie und kraftstrotzende Potenz anerkennen. All das ist nun verpufft. Es ist ein Trauerspiel, diese technisch so versierte Band mit wehenden Fahnen untergehen zu sehen.

Womit wir wieder bei Bono und U2 wären. Denn selbstverständlich wird sich das neue Album der Kings Of Leon verkaufen. Werbefilmer dürsten nach solchen Liedern. Sie werden auf fußballfeldgroßen Bühnen spielen, mit Hubschraubern in die Stadien einfliegen. Und wie es dann mit den Kings Of Leon weitergeht? Nun, wenn sie Bono weiter nacheifern, stehen auf dem Plan: Ironie, Umweltthemen, Fototermine mit Politikern, Pathos und Sonnenbrillen. Ab jetzt ist alles möglich.

„Only By The Night“ von den Kings Of Leon ist als CD und Doppel-LP bei Sony BMG erschienen.

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