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Atmosphäre so dicht

 

Ende der Siebziger trafen der Perkussionist Sabu Martinez und der Saxofonist Sahib Shihab in Schweden aufeinander. Jetzt ist das magische Ereignis endlich nachzuhören

Sabu Martinez & Sahib Shihab – The Distorted Sioux Indian
 
Von dem Album: Winds And Skins Mellotronen (2009)

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Ein Magengeschwür brachte ihn zur Strecke – doch da hatte Sabu Martinez bereits für drei gelebt. Vor dreißig Jahren starb er in einem schwedischen Krankenwagen, ein bewegtes Leben mag vor seinem inneren Auge vorbeigezogen sein: Sieben Mal hatte er geheiratet und 24 Kinder gezeugt, die meisten nicht im Ehebett.

Sabu Martinez war nicht etwa Kindermacher von Beruf, er war Jazzmusiker, ein versierter Perkussionist. Sein Name ist nur Eingeweihten bekannt. Berühmt sind die, die er auf Tournee und Schallplatte begleitete: Art Blakey, Charlie Parker, Tony Bennett, Max Roach und so viele andere.

Im Jahr 1930 wurde er als Louis Martinez im berüchtigten Viertel Spanish Harlem in New York geboren, Dizzy Gillespie gab ihm später den Namen Sabu. Mit elf Jahren spielte er in seiner ersten Band, mit Ende zwanzig verfiel er dem Heroin. Am Tiefpunkt verabschiedete er sich von der Musik und betrieb einen Stripclub in Baltimore. In Puerto Rico fand er Anfang der Sechziger zurück zu den Instrumenten. Die Drogen ließ er fortan sein – nicht aber die Frauen. So zog er im Jahr 1967 nach Schweden und heiratete aufs Neue. Und später nochmal.

Zeitweise betrieb Sabu Martinez eine Trommelschule, doch hauptsächlich spielte er für das Radio und das Fernsehen. Das klang meist so: Jazz mit lateinamerikanischem Einschlag, reich an Tempo und rhythmischen Ereignissen, dem Hüftschwung förderlich, knallig und bunt.

Ganz anders klingt Winds & Skins, sein Aufeinandertreffen mit dem Saxofonisten Sahib Shihab. Kurz vor Martinez‘ Tod wurde es vom schwedischen Radio aufgezeichnet. Konzentriert und spirituell ist das Spiel, die Atmosphäre so dicht, dass kein Sonnenstrahl durchscheint. Innig ist die Zusammenkunft des fünfköpfigen Perkussion-Ensembles, frei von Ausbrüchen und wie ein Ritual. So irdisch der Wind ist, den Sahib Shihab durch sein elektrisches Saxofon bläst – der Klang ist dem Weltraum zugewandt. Tiefes Schnarzen erinnert an einen analogen Synthesizer, doch das Spiel ist vom Atem und tiefer Empfindung gesteuert. Sein Groove schlägt Wurzeln im Gehör, dann erst sind die Hüften dran.

Inspirierter kann Zusammenspiel nicht sein, und doch fingen diese Aufnahmen für Jahrzehnte Staub im Radioarchiv. Nun sind sie das erste Mal zu haben. Irgendwie passt das gut zu ihrem mystischen Klang.

„Winds & Skins“ von Sabu Martinez und Sahib Shihab ist bei Mellotronen erschienen.

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