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Wie man David Bowie erwürgt

 

Mit 60 darf man wohl alles: Peter Gabriel hat seine Lieblingslieder neu aufgenommen – und totgewalzt. Was er sich dabei bloß gedacht hat?

© Nadav Kander

Es gibt Lieder, so denkt man, die sind unzerstörbar. Und dann setzt sich einer ans Steuer einer monströsen Maschine und fährt drüber. Hin, zurück, immer wieder. Solange, bis sich nichts mehr regt.

Platz da für Straßenwalze 2.0! Auf dem Bock sitzt Peter Gabriel und überfährt heulend zwölf seiner Lieblingslieder. Der Motor jault wie ein tausendköpfiges Orchester.

Riesenüberraschung!, sollte man wohl schreiben, es ist auch eine. Nicht etwa, dass Peter Gabriel nach acht Jahren überhaupt ein neues Album aufnimmt oder dass er ohne eine normale Band spielt. Überraschend ist vielmehr, wie Furcht erregend sich das Dutzend brillanter bis passabler Nummern unter Peter Gabriels Bearbeitung dann anhört.

Scratch My Back heißt das Album – wer hier wem einen Gefallen tut, ist allerdings die Frage. Der Reiz eines guten Coveralbums liegt ja nur sekundär in der Auswahl der Lieder. Wichtiger als die Qualität des Ursprungsmaterials ist, dass der Interpretierende eine Idee davon hat, weshalb er die Lieder überhaupt nachsingt. Vielen sind die Bequemlichkeit oder eine selbstverliebte Art der Ehrerbietung der einzige Antrieb – deshalb gibt es auch nur wenige gute Coveralben.

Was Peter Gabriel sich nun gedacht haben mag? Keinen Schimmer. Gleich zu Beginn, in Heroes, imitiert er vor schwülstigem Streichervorhang erst David Bowies ironisch-weinerlichen Tonfall – schon da schämt man sich ein bisschen für ihn. Dann, keine zwei Minuten später, hat das Kieksen ausgedient, und Peter Gabriel bellt kopfstimmig, wie nur er es kann, bzw. wie er es halt besser nicht kann.

Vor wenigen Tagen feierte er seinen 60. Geburtstag, da möchte man ihm ein bisschen der Kautzigkeit doch zugestehen. Bryan Ferry nahm ja mit 61 sein unsägliches Dylanesque auf, das war wirklich keinen Deut besser. Und doch, es ist schwierig, Sympathie für dieses Unterfangen aufzubringen.

Dies seien Peter Gabriels Lieblingslieder, heißt es. Vielleicht ist die Ehrfurcht das Problem? Eine Ehrfurcht, die er mit Hilfe des Orchesters bis zum emotionalen Exitus aufpumpt. Ironie ist hier jedenfalls nirgends, mag sein, dass die geholfen hätte. (Und sie wäre angebracht gewesen, denn das Orchester klingt, als habe es schon mit Metallica und den Scorpions auf der Bühne gesessen und vermeintliche Klassik mit irgendetwas anderem gemischt.)

In der Geigensauce versenkt werden weiterhin: Elbow, Arcade Fire, Regina Spector, Neil Young. Die Streicher sind dermaßen flach, dass man sich immer wieder in der Erwartung duckt, Raumschiff Enterprise sause gleich in THX und Warpgeschwindigkeit von links hinten nach rechts vorne durch den Kinopalast. Solch schillernde Hollywoodschmiere haben diese Stücke nicht verdient, dieses Wummern und Hallen.

Es ist nicht alles dermaßen dick aufgetragen, nein. Manches ist einfach so öde und belanglos. Paul Simons Boy In The Bubble etwa und Listening Wind von den Talking Heads – beide sind ja schon im Original eher mittelprächtig. Den Rest gibt einem schließlich Street Spirit. Einst sangen Radiohead es in die Stille nach dem Knall von Kurt Cobains Schrotflinte, in Gabriels Bearbeitung verkommt es zum verklimperten Gewimmer.

Nach gefühlten drei Stunden stellt Peter Gabriel den Motor der Straßenwalze ab. Alte und neue Klassiker kleben wie gemangelte Hühnchen auf dem Asphalt. Puh.

„Scratch My Back“ von Peter Gabriel ist bei Virgin/EMI erschienen.