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Berliner Techno-Nostalgie

 

Wer Din A Testbild hört, versteht den Elektroclash von heute: Dreißig Jahre nach ihrem Debütalbum beleben sie den tanzbaren Postpunk wieder.

© bureau-b

Blitzen noch die Stroboskope? Wabert Trockeneis durch Clubs? Klingt es dort blechern, technoid und kühl? Trägt man dazu wieder Schwarz, Schwarz, Schwarz? Und dunkle Sonnenbrillen? Offenbar ja. Wenn Din A Testbild tun, was sie immer taten, den Wahnsinn dissonanter Harmonie methodisch zu machen, dann kehrt für eine CD-Länge zurück, was später so übel zur „Neuen Deutschen Welle“ verballhornt wurde: Postpunk, der emotionsloseste Angriff auf den Pop überhaupt.

Es war Ende der Siebziger, als die Berliner Musikavantgardisten Mark Eins und Gudrun Gut begannen, aus alternativen Klänge etwas zu mixen, was damals erst nach einem Namen suchte. Noch vor den Einstürzenden Neubauten dekonstruierten Din A Testbild tradierte Melodiemuster auf handgemachten Science-Fiction-Instrumenten und prägten mit ihrer symphonischen Plattenreihe Programm 1 bis 3 die Entwicklung des heimischen Techno so nachhaltig wie sonst vielleicht nur Kraftwerk. Jetzt also Programm 6, die Fortsetzung des fünften Teils von 2007, beinahe 20 Jahre nach dem vierten.

Das klingt so lange Zeit nach dem Debüt natürlich arg nach Reminiszenz, einer selbstreferenziellen zumal – ein bisschen staubig, ein bisschen maniriert, ein Ausdruck fehlender Entwicklung. Aber das wirkt noch immer: Wenn Mark Eins, Nukleus des aufkommenden Electroclash jener Jahre, zwar ohne Gudrun Gut, aber mit den alten Bandmitgliedern Ralf Zimmermann und Nutty Norman aufs Neue endlose Klangteppiche ausrollt, wird es hektisch, rastlos und nervös. Dann zeigt der angerostete Techno zwar seine nostalgische Seite, aber beileibe nicht seine schlechteste. Dann wird das Studio zum Experimentierfeld und die Tanzfläche verschwitzt.

Sicherlich, das erinnert Radiogewöhnte Ohren bisweilen an Dr. Mabuse oder D.A.F., die populären Vertreter eines mainstreamfeindlichen Genres. Doch wenn Din A Testbild ihre konzentrischen Bassläufe übergangslos vom ungeduldigen Industrial zum fast gereizten Neu Berlin hinüberdrücken oder in Get Started zu Zimmermanns zappeligem Schlagzeug anschwellen lassen – da dürfte manch nachgeborener Digital Punk von den Chemical Brothers über Fischerspooner bis hin zu The Rapture seine eigenen Wurzeln spüren.

Dass Mark Eins dabei unentwegt das Wesen des Gehörten verbalisiert: Synergy. Devotion. Techno. Industrial. Music. Roboting. Working Hero. Sowas mag zwar ein wenig aufgesetzt wirken, seltsam redundant und altbacken. Aber so funktioniert diese Art Underground nun mal noch immer: Ohne Refrains und Strophen, ohne tieferen Sinn, Pausen oder Liedstrukturen. Einfach elegische Wiederholung um ihrer selbst Willen, die eingestreute Elemente vom Jazz-Saxofon bis zur Kinderorgel nicht als Zitate, sondern gelegentliche Fixpunkte einer unendlichen Struktur versteht. Auch Programm 6 sprengt also die tradierte Schichtung in Strophe-Titel-Platte. Die Übergänge muss man sich selbst suchen. Im Zweifel tun es die Beine, der Bauch. Oder das Stehvermögen im Strobogewitter vernebelter Clubs.

„Programm 6“ von Din A Testbild ist erschienen bei bureau b/Indigo.