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Wenn man nicht alles selbst macht!

 

Kaki King gilt als eine der besten Popgitarristinnen unserer Zeit. Über MySpace wurde sie bekannt, jetzt erscheint ihr fünftes Album „Junior“.

© Louis Teran

So richtig will das Bild des MySpace-Sternchens nicht passen auf die US-amerikanische Gitarristin Katherine King. Als Kaki King hat sie bereits eine Handvoll Platten veröffentlicht, die erste im Frühling 2003. Gab es das Internet da überhaupt schon? Nun, MySpace jedenfalls nicht.

Und doch ist MySpace der Ort, an dem viele zu ihr finden. Seit zwei, drei Jahren sammelt ihr Profil reichlich Freunde, mehr als 60.000 sind es mittlerweile. Im Jahr 2007 war ihr Zupfen (neben den Liedern von Pearl Jams Eddie Vedder) im hochgelobten Film Into The Wild erklungen, da ging es los. Eine halbe Million mal wurde ihr Lied Gay Sons Of Lesbian Mothers auf der Internetseite angeklickt – das lag wohl am Titel. Immerhin halb so viele Klicks bekamen die folkigen Poplieder ihres letzten Albums Dreaming Of Revenge.

Nach Pop klang Kaki King anfangs ganz und gar nicht: Die ersten beiden Platten waren Dokumente ihrer Kunstfertigkeit auf der akustischen Gitarre, weitgehend selbst gebastelte Alben. Wild klöppelte sie beidhändig Instrumentales, zerpflückte hektisch die (manchmal ungewöhnlich gestimmten) Saiten und hämmerte sich den Takt auf dem Korpus. Eine Alte Dame Ging Hering Essen – das interessierte wohl allenfalls strebsame Gitarrenschüler. Im Jahr 2007 nahm der Rolling Stone Kaki King in seine Liste der 115 großartigsten Gitarristen aller Zeiten auf, „Van Halen meets Bootsy“, stand neben ihrem Namen, weil ihr Spiel so flink und funky ist. Sie war die erste Frau auf dieser Liste.

Damals hatte sie gerade mit Hilfe von Tortoises John McEntire das luftige …Until We Felt Red veröffentlicht. Es klang nach Übergang: Weiterhin behänd bearbeitete Kaki King ihr Instrument, nun aber malte eine Band bunte Ornamente um das karge Spiel, erklangen Bass, Schlagzeug und Orgel – und ein paar mal auch ihre markante Stimme. Sie sang von Atomkrieg und ihrer ersten lesbischen Beziehung, und man fragte sich: Wie nur konnte sie so lange schweigen? Mit Dreaming Of Revenge ging sie noch einen Schritt weiter, das war beinahe schon ein veritables Popalbum.

Nun erscheint Junior, das fünfte Album. Es klingt, als sei der Wandel vollzogen. Kaum mehr stellt sie ihr Können an der Gitarre aus, nur wenige Stücke sind noch instrumental. Zwei, dreimal schweigt die Akustische sogar ganz, da schwingt die Band bedrohlich die elektrische Gitarrenaxt.

Deutlich ist zu hören, dass Kaki King in ihrer Jugend nicht nur Gitarrenhelden wie Leo Kottke und Michael Hedges lauschte, sondern auch dem introvertierten Pop von Slowdive und Ride. Das hart geschlagene Instrument treibt die Band an, hier und da türmen sich die Klänge zur wackeligen Klangmauer – dann wieder ist bald Stille, sie flüstert Lyrik ins Mikrofon.

Auf ihrer Website erklärt Kaki King, Junior drehe sich um Spionage und die Idee des Doppellebens. Doch die Zeilen sind in viele Richtungen deutbar. „Again I became someone else, someone new. Its up to me if I live or die“, singt sie in The Betrayer. Und: „I did this to you, yes I did. I had my own life to save.“ Der Agentinnenthriller ist immer wieder verwoben mit Beziehungsgeschichten, mit dem alltäglichen Kampf um Identität.

Ganz persönlich und unzweideutig ist das abschließende Sunnyside. Die Gitarre, ein paar Klavierklänge, scharfe Worte: „I wake up every morning and stretch my arms out wide. It splits my chest right open…“ Such dir doch jemanden, der dich mehr liebt! Da kann sie sich zwischen Wut und Melancholie selbst nicht entscheiden. Und stopft das gekränkte Herz schließlich einfach selbst wieder zurück in die Brust. Wenn man nicht alles selbst macht…

„Junior“ von Kaki King ist bei Cooking Vinyl/Indigo erschienen.