Gonjasufi ist unfassbar. Seine Musik flimmert zwischen altem HipHop, Punk, Rock, Bollywood. Und: Singt er eigentlich durch vergilbtes Butterbrotpapier?
Lassen Sie sich ja nicht täuschen! Denken Sie bloß nicht, die beiden Lieder hier gäben einen verlässlichen Eindruck dessen, was sie von Gonjasufi erwarten können. Gonjasufi – eigentlich heißt er Sumach Valentine – schlägt auf A Sufi And A Killer alle paar Minuten einen Haken, wechselt die Richtung. Schon zwischen dem hier zu hörenden schleppenden Sitargospel Kobwebz und dem überkandidelt schwingenden Folkpop von She Gone liegen Welten.
Hier nicht zu hören, aber auf der Platte: HipHop ohne Rap, Elektropunk und Punkrock, Basar, Bollywood und Bauchtanz, mal knisternder, mal schwitziger Soul. Harmonien, die mal nach den Beach Boys klingen, mal nach Led Zeppelin, mal nach Madlib. Zwanzig Lieder in einer knappen Stunde. A Sufi And A Killer ist eine Achterbahnfahrt.
Da ist manch wuchtiges Lied, manch großmäuliger Beat im undurchdringlichen Klangwald. Aufgemischt wird die okzidentale Basswucht mit orientalischen Instrumentalfetzen. Das ist durchaus innovativ zu nennen, zumal in Zeiten, in denen jeder einen Sampler bedienen kann.
Vor allem aber stört die Stimme von Gonjasufi die heilen Rock- und Beatwelten. Solches Nölen hörte man seit Oasis nicht mehr! Singt er durch Butterbrotpapier? Gonjasufis Gesang verweigert sich jeder Perfektion, die Stimme zittert und rumpelt. Und ist schließlich der Kniff, mithilfe dessen dieser klangliche Eklektizismus zusammengeführt wird.
Gonjasufi macht seinem Namen alle Ehre, gern und viel erzählt er von seinem Gott. „I came with hearts, while you came with weapons. I came with God while you are forgetting. Don’t aim your problems in this direction, don’t blame Allah for your misconception“, singt er in Kobwebz. Ein bisschen wird der Derwisch noch musizieren müssen, bis er alle Weltlichkeit hinter sich lassen kann. Viele andere Zeilen sind zumindest kryptisch. Wem solcher Spiritualismus nicht zusagt, der kann weghören, denn oft sind die Texte ohnehin schwer zu verstehen.
Diese Lust am Unperfekten und die Faszination an der Naivität (aber auch diese Gottesfürchtigkeit) erinnern an ein beinah vergessenes Werk: Gavin Bryars bastelte Anfang der Siebziger ein ganzes Album aus einem von einem Obdachlosen gesungenen Vers. „Jesus‘ blood never failed me yet, never failed me yet, Jesus‘ blood never failed me yet. This one thing I know, for He loves me so“, sang der, mit brüchiger, sanftmütiger Stimme. Bryars schnitt es in eine fast einstündige Endlosschleife und hinterlegte es mit Streichern. Berührend, wie der Tramp diese gottesfürchtigen Zeilen immer und immer wieder vortrug.
Als Jesus‘ Blood Never Failed Me Yet Mitte der Neunziger dann auf CD veröffentlicht wurde, fügte Gavin Bryars eine weitere Version des Stücks hinzu, ein scheinbares Duett des Tramps mit Tom Waits, einem also, der selbst gerne mit der Identität eines Getriebenen, eines Ortlosen kokettiert.
Die Verbindung Gonjasufis zu Tom Waits ist ohnehin augenfällig, wenn sich ihre musikalischen Mittel auch unterscheiden. Beider Lieder sind aus groben Stücken geschweißt, kümmern sich viel weniger um eine glatte Oberfläche, als um die Lebendigkeit des Materials. Sie setzen die Schweißnähte nach Gefühl, nicht nach statischen Erwägungen. Beide vermeiden das Abgeklärte und spielen mit dem Naiven.
Gonjasufi, liest man, lebt in Las Vegas. Dass einer, der zwischen sufistischer Gottesfurcht und modern vertonter Naivität wandelt, aus ebenjenem Ort kommt, an dem die spielwütige Leichtgläubigkeit und das Spektakel des kalkulierten Größenwahns Eins zu sein scheinen (aber natürlich nicht sind, denn Einer lässt das Geld ja schließlich beim Anderen), klingt nur logisch.
„A Sufi And A Killer“ von Gonjasufi ist bei Warp/Rough Trade auf CD und Doppel-LP erschienen.