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Breitwand-Soul für Vielfahrer

 

Jamiroquai ist zurück mit stromlinienförmigem Funkpop. „Rock Dust Light Star“ liegt gut in der Kurve und ist sparsam im Verbrauch. Aber Musik ist doch kein Auto!

© Max Vadukul

Autoverkäufer sehen anders aus. Sie tragen keine Kinnbärtchen oder hippe Adidas-Turnschuhe. Und wohl die wenigsten begeben sich mit Federschmuck ins Kundengespräch. Trotzdem ist Jay Kay, Sänger und Kopf der britischen Band Jamiroquai, der inoffizielle Autohändler der Popmusik. Ständig braust er irgendwo in einem Sportwagen herum, verschenkt Porsche-Wochenenden im Internet und lässt sein neues Album Rock Dust Light Star von einer deutschen Autovermietung bewerben. Fährt der Mann noch geradeaus oder befindet er sich bereits im Rückwärtsgang?

Dabei hatte alles ganz anders angefangen: Anfang der neunziger Jahre begeisterten Jamiroquai mit ihrer geschmeidigen Mischung aus Funk, Jazz und Soul. Jay Kay sang über Umweltprobleme, nannte sich Space Cowboy und schenkte der Popmusik das Didgeridoo. Dann entdeckte er seine Liebe zum teuren Automobil. Er brauste im Ferrari durch Musikvideos und spielte Konzerte in Privatjets. Die umweltbewusste Green-New-Deal-Generation betrachtete ihn fortan als windige Unperson: Der Büffelmützenträger wurde zum Hütchenspieler erklärt. Im neuen Jahrtausend dienten Jamiroquai-Platten vor allem zur Beschallung von Bars mit hochwertigen Sitzmöbeln. Das Didgeridoo ging im Klirren der Prosecco-Gläser unter.

Rock Dust Light Star soll an alte Zeiten anknüpfen, als Jamiroquais psychedelischer Funkjazz noch ambitioniert und leichtfüßig klang. Doch Rock Dust Light Star ist der Entwurf eines Breitwand-Soul für Vielfahrer. Wie ein frisch lackierter Neuwagen dreht Jamiroquais stromlinienförmig produzierter Funkpop seine Runden. Es ist ein Sound, der einfach jedem gefallen will. Das Album liegt sicher in der Kurve und ist sparsam im Verbrauch. Rock Dust Light Star ist Soul ohne Risiko, Funk mit Airbag. Es wäre kaum überraschend, wenn diese Platte bald jedem Neuwagen als Gratisexemplar beiläge.

Selbstverständlich enthält Rock Dust Light Star ein paar gute Nummern. Jeden, der eine Best Of Chic und ein paar Earth, Wind & Fire-Platten im Schrank hat, wird’s freuen. Stücke wie White Knuckle Ride und All Good in the Hood grooven geradlinig und makellos. Der Bass hüpft professionell, während Keyboards, Streicher und Bläser die Wärme einer wohltemperierten Fußbodenheizung verströmen. Dazwischen gibt es Kuscheliges für die Rückbank.

Doch die kalkulierte Spielfreude will einfach nicht zünden, sondern versprüht lediglich den Charme solider Ingenieurskunst. Trotz all der Mühen und betonten Lockerheit: Jay Kay behandelt den Boogie als Mittel zum Zweck. Die teuren Sportwagen, die Superstar-Attitüden, die Werbeverträge mit japanischen Nudelherstellern – musikalisch mögen sich Jamiroquai in der Spur befinden, ihrem Sänger dient die Band jedoch lediglich zur Ausstellung seiner Popstar-Fetische.

„Rock Dust Light Star“ von Jamiroquai ist bei Universal erschienen.