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Die Frisur ist der Skandal

 

Vor einem Jahr erregte Rihanna die Gemüter mit ihren Songs über häusliche Gewalt. Ihr neues Album „Loud“ kehrt zurück zur Normalität des Hochleistungspop.

© Universal Music

Beginnen wir, nur ausnahmsweise, mit einer Nichtnachricht: Rihanna kehrt mit ihrem neuen Album Loud glücklich ins Tagesgeschäft zurück. Diese Information wird die Schlagzeilenpoeten der Boulevardpresse wohl kaum beschäftigen. Robin Rihanna Fenty aber sollte das ganz recht sein.

Hatte sie sich zur Veröffentlichung des Vorgängeralbums Rated R vor einem Jahr allerhand Stoff für dicke Lettern geliefert. Nach Handgreiflichkeiten ihres Lebensgefährten und Sangeskollegen Chris Brown wurden die häusliche Gewalt und die anschließende Trennung in aller Öffentlichkeit verarbeitet. Zum Abschluss rechnete Rihanna auf Rated R wuterfüllt mit dem Ex ab.

Die Veröffentlichung von Loud begleiten keine Skandale. Die aufregendste Geschichte stammt von einer gewissen Ursula Stephens. Die ist Rihannas Friseuse und verriet, dass die neue Haarfarbe ihres Schützlings, ein flammendes Rot, ganz prima mit dem Albumtitel harmonieren würde.

Entschieden weniger auffällig als die neue Frisur ist dagegen die dazugehörige Musik. Für Rated R hatte Rihanna noch drei Songs selbst geschrieben und den Drang zur Katharsis bezeugt. Mit Loud ist ihre Karriere als Autorin schon wieder beendet: Die 22-Jährige hat ausschließlich schreiben und komponieren lassen. Das aber natürlich nur von Koryphäen, darunter Timbaland oder David Guetta.

Das Ergebnis ist erwartbar, aber dafür auf höchstem Niveau. In glitzernden Popsongs erzählt die von Barbados stammende Rihanna die üblichen Geschichten voller Herzschmerz, von Menschen, die sich finden und wieder verlieren. Sie spielt die Verführerin und die Verletzte, ist Diva und Domina, nirgendwo so demonstrativ wie im Eröffnungsstück S & M.

Das alles erfüllt passgenau die Bedingungen der R’n’B-Branche, doch aufgemerkt: Rihanna spielt im Premiumsegment der Hitindustrie! Mit Hilfe ihrer einerseits makellosen, andererseits individuell kantigen Stimme gelingt es ihr, die genreüblichen Gewöhnlichkeiten zur schillernden Sensation hochzujazzen. Ein Lob gebührt den vom norwegischen Produzentenduo Stargate angeführten Sounddesignern, die ihre Hooks aus den üblichen Synthesizern, die vertraut pumpenden Dance-Rhythmen und sogar den mittlerweile arg ausgelutschten Autotune-Effekt zum Hochleistungspop formen. Auch die unvermeidlichen Exkurse in den Rap übernimmt ausschließlich Spitzenpersonal wie Eminem und Drake, während Rihanna die Reiseleitung innehat während der Ausflüge in die jamaikanische Dancehall.

Entscheidend im aktuellen R’n’B-Geschäft bleibt allerdings der Spagat zwischen Dancefloor und Charts. Dieser Versuch, die Balance zu finden zwischen Clubtauglichkeit und Radiopotenzial, führt auf Loud allerdings auch zu einigen Ungereimtheiten. Während in der Disco niemals gleich mehrere Rihanna-Songs hintereinander laufen dürften, fällt auf Albumlänge dann doch auf, dass manches Stück ähnlich aufdringlich und eintönig wummert wie das vorherige. Eine zur Auflockerung eingefügte Ballade wie California King Bed wiederum ist mit einem solch klassischen Gitarrensolo verziert, dass eigentlich nur noch ein Scorpions-Pfeifen zum Schweinerockglück fehlt. Einen Besuch von Klaus Meine muss man Rihanna jetzt aber nicht unbedingt wünschen: Die Frau hat ausreichend unangenehme Erfahrungen mit Männern gemacht.

„Loud“ von Rihanna ist erschienen bei Def Jam/Universal.