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Tanzende Quotenfranzosen

 

Wer gern Croissants stippt und die Welt der Amélie mag, höre her: Die quietschvergnügten Yelle aus Frankreich füllen ihren „Safari Disco Club“ mit herzförmigen Melodien.

© Gregoire Alexandre

Es gibt viele Platten, da genügt der Titel und man weiß, woran man ist. Raw Power von den Stooges oder Road To Ruin von den Ramones sind gute Beispiele. Pop-Up nannte das Trio Yelle ihr Debüt, Safari Disco Club heißt die zweite Platte. Es sollte also klar sein: Yelle sind ein witziger Haufen.

Immer Lust auf Erdbeereis im Gras, Savoir vivre und so. Auch das absurde Video, in dem die Sängerin Julie Budet von ihren Bandkollegen GrandMarnier und Tepr wie eine Antilope durch die Stadt gejagt wird, lässt keine Zweifel aufkommen: Mit dieser Band sollte man Spaß haben. Und Franzosen sind sie auch noch. Kann man ihnen eine kurzweilige Elektropop-Platte wie Safari Disco Club also ernsthaft übelnehmen?

Natürlich ist die knallige Poppigkeit, die einem in elf Liedern entgegenschlägt, erst einmal absolut entwaffnend. Sich diesem frankophilen Kindergeburtstag mit anschließender Knutschparty im Hausflur zu verweigern? Geht nicht. Safari Disco Club pluppt und poppt wie ein Kleiderschrank voller Luftballons. Herzförmige Melodien schweben vorüber. Sofort möchte man jemanden an den Händen greifen und durchs Zimmer wirbeln. Komm, wir malen uns Schnurrbärte! Hat hier jemand Lust auf Stop-Tanz?

Aber hinter all der qietschbunten Laune muss doch etwas Unaussprechliches lauern. Etwas Düsteres, Gemeines. Unter dem Konfetti das Hackebeil. Aber man kann graben, so viel man will: Da ist nichts. Yelle sind einfach nur wahnsinnig gut drauf. Und wenn sie mal andere Akkorde außer C- und G-Dur spielen, klingt das zwar mäßig melancholisch, bleibt aber immer schön luftig. Das ist die croissantstippende Quotenmelancholie, ohne die zwar ein Drittel aller französischen Filme nicht funktionieren würde, die aber in dieser prägnanten Dichte so anziehend wirkt wie Sarkozys Pantoffeln.

Der Louis-de-Funès-Kenner weiß, dass in jeder Überdrehtheit auch immer das Aggressive, Unberechenbare mitschwingt. Safari Disco Club aber nimmt sich in der Inszenierung der guten Laune sehr ernst. Tatsächlich sind Yelle schwer damit beschäftigt, eine ganze Armada aus knisterigen Synthesizern zum Tanzen zu bringen. Am Ende geht jedoch die entscheidende Komponente verloren: Julie Budet ist sicherlich keine spektakuläre Sängerin, aber in den betriebsamen Liedern geht sie oft unter. Als hübsche Begleiterscheinung lenkt ihr Gesang sogar stellenweise vom eigentlichen Geschehen ab. Immer wieder gewinnt man den Eindruck, die Stücke seien eigentlich als Instrumentalversion gedacht.

Yelle wollen offenbar mit Safari Disco Club die Welt mal so richtig ulkig auf den Kopf stellen. Wer einen Film wie Die fabelhafte Welt der Amélie mehr als einmal gesehen hat, wird das mögen. Safari Disco Club sei eine Platte zum Lachen und Weinen, sagt der Bandchef GrandMarnier. Sollte es zu Letzterem kommen, müsste es sich freilich um Freudentränen handeln.

„Safari Disco Club“ von Yelle ist bei V2 erschienen.