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Voll harmonisch, nicht ganz so bärtig

 

Wem die Fleet Foxes zu behaart und esoterisch sind, der höre The Head And The Heart: choralhafter Folk mit berückenden Melodien. Aus der Indie-Hochburg Seattle kommen sie auch.

© Kyle Johnson

Neulich am Kickertisch des Indie-Labels. Sagt einer: „Wir bräuchten noch so eine Band, die singen kann wie die Fleet Foxes, so voll harmonisch, aber die darf nicht ganz so bärtig sein. Das mit dem Freak Folk ist doch, seien wir ehrlich, jetzt durch. Gut wär auch, wenn sie zwar Country wären, aber irgendwie so alternativ und trotzdem auch noch ein paar Beatles-Harmonien drauf hätten. Oder meinetwegen auch die Beach Boys oder Crosby, Stills, Nash and Young. Und aus Seattle sollten sie auch kommen, das wär schon schick, und eine Frau darf ruhig auch mal dabei sein, das macht sich bestimmt gut zwischen diesen ganzen behaarten Zauseln. Was meinste?“ Locht der andere zum Siegtreffer ein und antwortet: „Gute Idee. Aber haben wir doch längst. Heißen The Head And The Heart. Sind großartig. Kommen bestimmt demnächst ganz groß raus. Und Du schuldest mir ein Bier.“

So oder auch ganz anders mag es sich zugetragen haben in Downtown Seattle, in den weitläufigen Bürofluchten, in denen das Label Sub Pop residiert. Dort kriegt man sich dieser Tage wahrscheinlich gar nicht mehr ein. Ist doch Helplessness Blues, das zweite, heiß erwartete Album der Fleet Foxes, nach einigen Geburtswehen nicht nur ziemlich großartig geworden, sondern wird auch von der Kritik allerorten fast noch hymnischer gefeiert als das schon über alle Maßen gelobte Debüt. Das hatte sich weltweit mehr als eine halbe Million mal verkauft und damit entscheidend dazu beigetragen, dass sich Sub Pop weiterhin die schicke Etage in renommierter Lage leisten kann.

Das war nicht immer so. Als Sub Pop Ende der achtziger Jahre den Grunge entdeckte, ging das Label an den Folgen des anschließendes Hypes fast pleite. Danach erfand der einzige übrig gebliebene Firmengründer Jonathan Poneman sein Label neu mit Bands an der Schnittstelle zwischen Folk und Rock, amerikanischen Traditionen und Moderne, was eine erfolgreiche Gesundung mit Verkäufen auf bescheideneren, aber dafür solidem Niveau zur Folge hatte.

Den New Folk schien man trotzdem ein wenig verschlafen zu haben. Bis zu den Fleet Foxes und ihrem überraschenden Erfolg. Doch anstatt der Konkurrenz das Geschäft mit den Epigonen zu überlassen, versucht Sub Pop nun, was die Fleet Foxes sähten, mit The Head And The Heart zu ernten. Die sechsköpfige Band hatte sich in Seattle bereits eine gewisse Bekanntheit erspielt, bevor Sub Pop sie unter Vertrag nahm und kürzlich ihr bereits zwei Jahres altes, selbst finanziertes Debütalbum noch einmal neu veröffentlichte.

Auf dem findet sich allerhand von dem, was bereits die Fleet Foxes erfolgreich machte: Hymnische Gesänge, dreistimmig in die Höhe strebende Choräle, berückende Melodien, der Folk als spirituelle Erfahrung. Doch The Head And The Heart sind lange nicht so esoterisch. Während die Fleet Foxes an einen Mönchschor erinnern, meint man bei The Head And The Heart eher das Erbe des Gospel herauszuhören. Sie spielen auch mal etwas handfesteren Country. Rhythmisch geben sie sich nur selten mit einem simplen Viervierteltakt zufrieden. Das Klavier lässt sich schon mal zu einem Boogie hinreißen und die Geigerin Charity Rose Thielen muss manchmal so kräftig fiedeln, als hätte sie ein Guinness zu viel gekippt. Während also die Fleet Foxes ihre Bärte kraulen, was ja auch sehr schön anzusehen ist, feiern The Head And The Heart lieber noch ein fröhliches Fest am Kickertisch.

„The Head And The Heart“ von der gleichnamigen Band ist erschienen bei Cooperative Music/Universal.