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Klangskizzen nach dem Mittagsschlaf

 

Ada hat ein wunderbares Elektronika-Album veröffentlicht. Um es beurteilen zu können, hat M. Schönebäumer die journalistische Klischeemaschine angeworfen.

© Katja Runge

Musikautoren haben wenig Zeit. Ständig müssen sie die Zukunft der Branche prophezeien und sich in Gästelisten eintragen. Und dann auch noch die ganzen Platten, über die sie zu schreiben haben. Aber Gottseidank gibt es die Klischeemaschine. Fast jeder hat sie irgendwo herumstehen, es gibt sie auch immer mal wieder gebraucht bei Ebay zu kaufen. Es ist ganz einfach: Maschine anstellen, Platte reinschmeißen, Koordinaten eingeben. Innerhalb von wenigen Minuten liefert die Maschine das gewünschte Ergebnis, mit dem meist alle außer dem Künstler zufrieden sind. Man muss es dann nur noch hinschreiben.

Probieren wir es aus an der neuen Platte von Ada. Maschine kurz warmlaufen lassen, Dichtungsringe prüfen – und schon geht’s los. Ada heißt Michaela Dippel und kommt aus Köln. Die Klischeemaschine summt leise. Die Platte heißt Meine zarten Pfoten. Es knistert. Ein Song darauf heißt Happy Birthday. Die Maschine rumpelt. Auf dem Cover ist ein süßer Esel in Pastellfarben zu sehen. Es rattert ziemlich laut. Die Platte ist auf DJ Kozes Label Pampa Records erschienen. Damit kommt die Klischeemaschine offensichtlich nicht klar, sie raucht und spuckt. Dann macht es PLING und das Ergebnis leuchtet auf dem Schirm: Demnach macht Ada luftig-leichten Elektropop mit Chansonanleihen und melancholisch-witzig eingefärbten Texten.

Und dann hört man diese Platte und muss sich wundern. Offenbar klemmt die Maschine irgendwo. Meine zarten Pfoten ist weit entfernt von Poesiealbumhaftigkeit und kuscheliger Croissant-Romantik. Das Album geht andere Wege, verschlungene und weit verzweigte. Dennoch kann man es als Wohlfühlalbum bezeichnen. Nach Isolées Well Spent Youth und Robag Wruhmes genialem Thora Vukk ist dies bereits das dritte auf Kozes Pampa Records.

Ada eröffnet die Platte mit einer Cover-Version des Lucious-Jackson-Stücks Faith. Es ist ein perfekter Einstieg, der einen sanft hineingleiten lässt in ein wunderschönes Sommeralbum. Natürlich ist Meine zarten Pfoten mit seinem dahingehauchten Gesang und den schwebenden Instrumenten ein sanftes Album – aber Sanftheit sollte hier nicht mit Belanglosigkeit verwechselt werden. Es geht nicht um süße Ponys. Stattdessen erzählt Ada kleine Sound-Geschichten, für die sie auch Geräusche wie Feuerwerke oder Straßengeräusche verwendet. Die Stücke selbst klingen wie Skizzen, kleine Zeichnungen nach einem Mittagsschläfchen.

Es ist ihr persönlicher Charme, der Lieder wie Likely mit seinen gezupften Flamenco-Gitarren und einer verschämten Harmonika-Melodie oder The Jazz Singer mit seinem tänzelnden Elektropop. Ada verbreitet keine vorgetäuschte Melancholie. Ihr Album klingt so überzeugend, weil es die Schwermut nicht als plüschige Pose ausstellt. Happy or sad / Happy or sad singt Ada bei Likely in der Dauerschleife. Sie stellt die richtigen Fragen. Die Antwort weiß man ja oft selbst nicht.

Im zweiten Drittel greift das Album weiter aus. Dem schimmernden Intro (erst jetzt!) folgt At The Gate, ein düster pulsierendes Stück Techno, abgefedert von zwei Pianoakkorden. Gemeinsam mit dem schunkelnden Happy Birthday sind dies die einzigen Lieder, die so etwas wie Tanzbarkeit suggerieren. Aber auch hier unterläuft Ada alle Erwartungen: zu langsam zum Abrocken, zu frei, um sich mitreißen zu lassen. Adas Lieder segeln wie silberne Luftschlangen durch den Raum, selbstvergessen und rätselhaft. Selbst der rührige Albumtitel liest sich plötzlich geheimnisvoll. Die Klischeemaschine in der Ecke ist verstummt. Vielleicht tauschen wir sie gegen einen neuen Toaster.

„Meine zarten Pfoten“ von Ada ist bei Pampa Records erschienen.