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Traute Zweisamkeit mit der Sängerin

 

Als Dear Reader säuselt die Songwriterin Cherilyn MacNeil so wunderbar von den Abgründen des Lebens, dass man ihr gern folgt. „Idealistic Animals“ heißt ihr einsames Album.

© Marcus Maschwitz

Im Indie-Pop ist eine gute Geschichte eine zerrissene Geschichte. Knapp links und rechts vom Hauptstrom werden selbstzweifelnde Ich-AGs gegründet, die Leiden des geschundenen Subjekts in musikalische Metaphern gegossen, manchmal trieft Melancholie wie dicker Sirup aus den Rillen. Im Falle der Sängerin und Songwriterin Cherilyn MacNeil löst sich die Schwere der Themen wie durch ein Wunder in sensationell leichter Musik auf.

At night my body aches / for your warmth under the sheets“ – die ersten Zeilen auf dem Album Idealistic Animals setzen den Ton für die folgenden 40 Minuten, die der interessierte Hörer in trauter Zweisamkeit mit der Künstlerin verbringen darf. Decke über den Kopf und sich mal so richtig aussprechen.

MacNeil säuselt so wunderbar und verständlich von den Abgründen, die in der langen Einsamkeit lauern. Sie nimmt den Dramoletten damit jedes Gewicht, taucht voller Schwung ein in die orchestralen Klangkaskaden, aus dem Off tönen Waldhörner und Oboen.

Am Ende verliert sich die traurigste Pianomusik in elektronischen Soundmanipulationen, als wollte die gute Freundin Cherilyn uns noch einen Tipp mit auf den Weg geben: Gehe nie ohne Musik aus dem Haus, sie kann dich vor dir selbst schützen!

„Idealistic Animals“ von Dear Reader erscheint bei City Slang.

Aus der ZEIT Nr. 32/2011