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Musikkonsum ist tot, es lebe das Singen

 

Gaggle heißt dieser verrückte Chor aus 21 Londonerinnen. Sie bringen Seemannslieder, fette Bässe, Pop, Punk und Kostümshow zusammen.

© Danny North

Das Schöne am Laiengesang ist, dass man in der Regel auch ohne jahrelanges Üben einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Wer über einschlägige Erfahrungen verfügt, weiß, wie mächtig es klingen kann, wenn Musik kollektiv ein- und wieder ausgeatmet wird.

Der Effekt, den 21 unter dem Namen Gaggle zum Chor vereinte Londonerinnen erzielen, ist damit allerdings weder hinlänglich noch gar erschöpfend beschrieben. Diese Frauen singen nicht einfach, sie bringen die Bühne zum Beben.

Zu bollernden Beats und Bässen aus der Maschine entfachen sie ein Spektakel, das frontal sämtliche Sinne anspricht. Was die musikalische Seite anbelangt, könnte man von einem Brüll-, Schrei- und Stampfchor sprechen. Thematisch kombinieren sie Motive des britischen Seemannslieds mit Variationen über das Rauchen, Saufen und Ehebrechen.

Ihre selbst geschneiderten Roben wiederum lassen an feministisch-futuristische Schmückungsrituale denken. Dass noch das kleinste Detail einem punkigen Do-it-yourself-Gedanken verpflichtet ist, hat Gaggle zu Recht den Ehrentitel „London’s first Sci-Fi Riot Choir“ eingebracht, die Botschaft: Der Musikkonsum ist tot, es lebe das Singen!

Einziges Manko: Auf Tonträger bleibt nur ein Teil der Wucht erhalten. Wer die volle Dröhnung braucht, muss warten, bis dieses wandelnde Gesamtkunstwerk live auftritt – oder selbst einen Chor gründen.


„From The Mouth Of The Cave“ von Gaggle ist erschienen bei Transgressive/Cooperative Music.

Aus der ZEIT Nr. 26/2012