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Jedes Album so gut wie das Debüt

 

Zum dritten Mal widerlegen Bloc Party den Mythos, dass es unmöglich ist, ein großartiges Erstlingswerk zu überbieten. „Four“ ist wieder ein richtig tolles Rockalbum.

© Cooperative

Debütalben sind Mythen. Wer die Best-Of-Listen des enzyklopädischen Musik(ge)wissens New Musical Express nach Perlen zeitgenössischer Popmusik durchforstet, stößt dort – und nicht nur dort – unentwegt auf Erstlingswerke. Gerade in der Renaissance ruppigerer Klänge zwischen Brit- und Garagenrock aus Amerika und Großbritannien, mal ohne, meist mit „The“, gilt der offizielle Start ins Geschäft gern als Höhepunkt, dessen Niveau bestenfalls gehalten werden kann. The Strokes, The Kills, The Libertines, Arctic Monkeys, Kaiser Chiefs, Franz Ferdinand – sie alle haben zum Auftakt eine Menge Pulver verschossen, was spätere Schüsse weit dumpfer klingen ließ. Das war auch von Bloc Party anzunehmen.

Ihr Debüt Silent Alarm gilt schließlich als eine Art Versöhnung der düsteren Seiten des alten New Wave mit den helleren moderner Rockmusik unter wohldosierter Beigabe von Britpop, Emocore und Grunge. Es war und ist ein Höhepunkt experimenteller Gitarrenmusik von der Insel. Umso erstaunlicher, dass sein Nachfolger A Weekend In The City die empfindlichen Feuilletons trotz strikt reduzierten Saiteneinsatzes überzeugen konnte. Und dass im Anschluss das noch artifiziellere, fast elektronische Intimacy sogar sein Publikum nicht vergraulte, dem ja gemeinhin an Freundschaftsdienst und Wiedererkennbarkeit gelegen ist.

Das dürfte nun ernstlich auf die Probe gestellt werden. Denn das aktuelle, der Reihenfolge gemäß mit Four betitelte Album geht mindestens einen Schritt zurück, indem es seinen Sound gleich zu Beginn konsequent radikalisiert – Richtung neuer englischer Härte, zurück jedenfalls in den Rock. Statt elektronischer Spirenzchen liefert schon das Auftaktstück So He Begins To Lie überraschendes Gitarrengeschrammel, bis es sich in 3×3 oder Coliseum zum Nu Metal aufschwingt, der mal mit Brüllgeflüster, mal mit Operngeschrei fast an die Deftones erinnert oder At The Drive In, dessen Produzent Alex Newport hier hörbar mitwerkelt. Und früh rauscht schon das erste kleine Angus-Young-Gedächtnis-Solo durch Octopus.

Das Besondere an Bloc Party bleibt dabei allerdings, dass es dabei nicht bleibt, dass es weder Zitat noch Gimmick oder bloß Spielerei ist, wenn die Lautstärke steigt, sondern Ausdruck einer Variabilität, die als Teil einer größeren Idee daherkommt. In Day Four etwa, dem fast geschmeidigen V.A.L.I.S. oder Truth, das an die traumwandlerische Ballade Kreuzberg erinnert, beruhigt sich dieses tosende Meer immer wieder zum sanften Oberflächengekräusel und sorgt für etwas, das die vier Londoner seit jeher kennzeichnet: Eine Form von Alternative, Punkrock fast, den Kele Okerekes mal gläserne, mal dräuende, oft erkennbar klassisch geschulte, immer kraftvolle und sonderbar fragile Stimme auf Wohnzimmerwärme dimmt.

Es ist nicht nur, aber mehr als alles andere der Gesang, der Bloc Party im Gleichgewicht hält zwischen Club und Stadion, Independent und Mainstream. Und zum Schluss gibt’s dann nochmals das volle Brett namens The Healing, damit sich bloß niemand seiner Hörgewohnheiten sicher sein kann. Bloc Party stellt nicht nur sein Publikum, sondern auch sich selbst immer wieder auf die Probe. Jedes Album ein Debüt-Album. Mythen in Reihe.

„Four“ von Bloc Party ist erschienen bei Frenchkiss/Cooperative Music.