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Gucci Gucci Bling Bling

 

Glitzernde Kritik am Markenfetischismus: Die Rapperin Kreayshawn verkleidet sich als Tussi, um den Tussis und statusgeilen Hip-Hoppern zu zeigen, wo die Hose hängt.

© Sony Music

Manchmal ist in einem Song schon alles angelegt: Gerade einmal drei Wochen, nachdem Nastassia Gail Zolot alias Kreayshawn ihren Track Gucci Gucci online gestellt hatte, wurde die Rapperin aus Oakland mit mehr als drei Millionen Klicks nicht nur zur Onlineberühmtheit, sondern auch zu einer der am kontroversesten diskutierten Figuren des Hip-Hop.

Gerade ist ihr Debütalbum Somethin‘ ‚Bout Kreay erschienen, auf dem auch dieser Zornknaller gegen Markenfetischismus zu finden ist. Kreayshawn spuckt ihren Kolleginnen gut gelaunt und verächtlich vor die Stilettos: „Gucci Gucci, Louis Louis, Fendi Fendi, Prada / The basic bitches wear that shit, so I don’t even bother„. Darunter wummern Schwundstufen von Sissy Bounce, Footwork und Dubstep-Bässen in entspanntem Tempo.

Das mediale Interesse an Kreayshawn nährt sich nicht nur an ihren angriffslustigen Raps, die sie mit Anleihen ghetto-informierter Musiken unterlegt. Für Irritation sorgen vor allem ihre unbekümmerten Aneignungen und Verdrehungen vermeintlich starrer Hip-Hop-Codes: Ihre Gucci-Gucci-Materialismuskritik hindert sie nicht daran, im selben Stück ihr robustes Ego auf materialistische Weise zu feiern: „so posh, nails fierce with the gold gloss / which means nobody getting over me„.

Auf Fragen zu ihrer sexuellen Orientierung gibt sie am liebsten Antworten, die identitäre Zuschreibungen unterlaufen („I llke people who like me„). Und Männer taugen ihren Liedtexten, in denen es nur so wimmelt von Bitches und Hoes, nicht einmal als Diss-Objekte.

Mit einer Ausnahme: In Blasé Blasé rappt Kreayshawn über Haters, die ihr auf Twitter Gewalt angedroht haben sollen. Interessanterweise teilen sich diese in zwei Lager. Die einen seien Hip-Hop-Hasser, deren Frust sich an einer Form des Genres entlädt, die man nicht ganz zu Unrecht auch als Pop bezeichnen könnte. Die anderen sind Hip-Hop-Heads der reinen Lehre, für die Kreayshawn ein vampiristisches, subkulturausbeutendes Popsternchen ist, ein „Hipster Hopper“, eine Dilettantin, die wie eine Touristin im Hip-Hop-Land eine Sprache verwendet, die sie nicht beherrscht.

Doch Kreayshawn, die mit dünner, nasaler Stimme rappt, schert sich nicht um die Konventionen der Realness, um Rollenmodelle schon gar nicht, eher spielt sie mit ihnen oder führt sie ad absurdum. In ihrem Umfeld findet sich eine ganze Reihe Hip-Hop-Acts, die das ähnlich sehen dürften. Gemeinsam mit dem Rapper Lil B, ein Meister der Identitätstaschenspielerei, hat die ehemalige Filmstudentin Videos gedreht, sie ist mit Mitgliedern des Odd-Future-Kollektivs befreundet, die bisher vor allem durch ihre Begeisterung für spätpubertäre Provokationshuberei aufgefallen sind, und gemeinsam mit V-Nasty und DJ Lil‘ Debbie bildet sie eine Crew namens White Girl Mob.

Man mag die billig klingenden, hemdsärmelig zusammengeschraubten Bollerbeats von Somethin‘ ‚Bout Kreay auf Dauer enervierend finden oder ihre Rap-Skills für einen schlechten Witz halten. Interessanter ist, dass sich Kreayshawn einfach nimmt, was sie für ihre Bubblegum-Teenager-One-Girl-Rap-Show braucht. Sie ist jetzt 23, steht bei einem Major-Label unter Vertrag und kann eigentlich noch nicht allzu viel Wissen, so denkt man – während man ihr zuhört, wie sie mit der Attitüde des dienstältesten Hip-Hop-Großmauls tut, als ob sie alles wüsste. „If you thought my first was my last song / Face the fact man / You couldn’t be more wrong.“ Dicke Hose – das ist schon mal eine sehr gute Voraussetzung für Pop.

„Somethin‘ ‚Bout Kreay“ von Kreayshawn erscheint am 28. Oktober bei Columbia/Sony.