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Guter Junge aus der bösen Stadt

 

Tupac Shakur hat einen rechtmäßigen Erben: Kendrick Lamar bringt allerfeinsten Westküsten-Hip-Hop „straight outta Compton“. Ein beeindruckendes Debüt.

© Universal Music

Es ist der 13. September 2010, als der junge Kendrick Lamar eine Vision hat. Ein Mann namens Lesane Parish Crooks erscheint vor ihm mit einer einzigen Bitte: „Lass mich nicht sterben.“ Es ist der 14. Todestag von eben jenem Crooks, heute besser bekannt als Tupac Shakur. So zumindest beschreibt es Kendrick Lamar zu Beginn des Videos zu seinem Song HiiiPower.

Dieser Track war Teil des Mixtapes Section.80, das Lamar im vergangenen Jahr berühmt machte. Trotz einer nicht allzu hohen Chartplatzierung wurde es mit positiven Kritiken überhäuft und als eines der besten Rapalben 2011 gehandelt. Dann nahm ihn die Westcoast-Legende Dr. Dre bei seinem Label Aftermath Entertainment unter Vertrag, und jetzt erscheint sein Debütalbum Good kid, m.a.a.d. city.

Inspiriert von seinen beiden großen Vorbildern, Tupac und Dre, streckt der 25-jährige Rapper aus Compton, Los Angeles, von nun an die Fahne des Westküsten-Raps in die Höhe. Obwohl Kendrick Lamar immer wieder in einem Atemzug mit den Stars der neuen Hip-Hop-Generation wie A$AP Rocky, Wiz Khalifa oder Tyler, The Creator genannt wird, unterscheidet er sich doch von eben jenen. Er wirkt reifer, trotz seines jungen Alters.

Good kid, m.a.a.d. city ist nicht nur ein gutes Erstlingswerk, sondern zugleich ein Konzeptalbum. Kendrick Lamar nimmt den Hörer mit in sein Viertel und erzählt eine Geschichte von Liebe, Drogen und Tod. Klingt nach den typischen Hip-Hop Klischees, nach N.W.A. und Straight Outta Compton. Aber genauso sieht’s aus in einer der gefährlichsten Nachbarschaften von Los Angeles. Das m.a.a.d. im Titel steht für „my angry adolescence divided„. Es geht ums Erwachsenwerden in einer Stadt, deren Ruf meist mit Drogen und Gewalt in Verbindung gebracht wird.

Im souligen Poetic Justice beweist er mit der Unterstützung des Branchenstars Drake, dass es auch anders geht. Das Lied trägt denselben Titel wie ein Liebesfilm mit Tupac Shakur und Janet Jackson, verwebt Samples aus Jacksons Anytime, Any Place und erweist einmal mehr die Ehrfurcht vor der Legende Tupac.

Kendrick Lamar ist sich dennoch stets bewusst, wie sehr das Leben in Compton von den dort herrschenden Gangs geprägt wird: „What am I supposed to do / When the topic is red or blue“ beschreibt er im Lied Good kid. Doch ihm bedeutet Compton mehr als die Farben der rivalisierenden Bloods und Crips. Was dieses Viertel alles sein kann, beschreibt er zusammen mit seinem Mentor Dr. Dre im gleichnamigen Song. Es ist seine Stadt, seine Herkunft und die gilt es nicht zu verstecken, ganz gleich welchen Ruf sie genießt, getreu dem Motto „ain’t no city quite like mine“.

Kendrick Lamar – Swimming Pools (Drank)

Good kid, m.a.a.d. city wird den hohen Erwartungen an das Debüt gerecht. Es bringt weder gute Laune, noch ist es zum Feiern geeignet. Kendrick Lamar besinnt sich eher auf die Wurzeln einer lang vermissten Form des Hip-Hop: Er verbindet die Kunst des Storytelling mit Boom-Bap-Drums. Dabei lässt er immer wieder seine ausgereifte Technik und ein Gespür für gute Texte aufblitzen.

Selten waren sich Popkritiker und Fans so einig über die Zukunft eines Neulings. Innerhalb kurzer Zeit hat sich Lamar eine beachtlich große Fanbase aufgebaut, zu der unter anderem erfolgreiche Größen wie Pharrell Williams oder Lady Gaga gehören – sie arbeitete schon mit ihm an einem gemeinsamen Track namens Partynauseous.

Ob es für die Charts reicht oder nicht: Kendrick Lamar hat Good kid, m.a.a.d. city auf den Vermächtnissen des Westküsten-Hip-Hop gebaut, um die Legenden lebendig zu halten und vielleicht irgendwann auch eine zu werden.

„Good kid, m.a.a.d. city“ von Kendrick Lamar ist erschienen bei Interscope/Universal. Im Januar und Februar ist er auf Deutschlandtour.