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Wehmut unterm Hut

 

Maxïmo Park sind wieder da. Hat sie jemand vermisst? Ihr neues Album „Too Much Information“ erfindet den Britpop nicht unbedingt neu, aber dreht zumindest an ein paar Reglern.

© Steve Gullick
© Steve Gullick

Frage in die Runde: Irgendwelche Erwartungen an das neue Maxïmo-Park-Album? Ach, die gibt’s noch?

Beinahe zehn Jahre nach ihrem stilbildenden Debüt A Certain Trigger interessiert man sich für vieles, aber für Maxïmo Park?

Damals schlug die letzte große Welle erfrischender britischer Rockmusik über uns zusammen, Debütalben von Bands wie Franz Ferdinand, Bloc Party und eben Maxïmo Park erschienen. Mittlerweile haben all diese Bands vier, fünf Alben aufgenommen und die Dünung rollt nur noch sanft. Das Debüt liegt mittlerweile lang zurück – und für Maxïmo Parks neues Album Too Much Information gilt, was auch für die aktuellen Werke der anderen beiden genannten gilt: Es kommt leichter Wind auf.

Wie gewohnt fällt die Band mit der Tür ins Haus, Give, Get, Take hämmert die Scharniere aus den Zargen. So überkandidelt, so hymnisch – so irreführend. Dermaßen direkt geht es hernach nur selten zu, der Rest des Albums ist mit wenigen Ausnahmen zurückhaltend, ja fast vorsichtig gespielt. Die Synthesizer pulsieren flächig, da ist mehr Blubbern als Flirren, die Gitarrenmuster sind knochiger und pointierter als zuvor. Im Vordergrund turnt der Sänger Paul Smith, der die Klappe nie hält, der immer singt, singt, singt und kurze Pausen allenfalls zum Luftholen einlegt.

Bahnbrechende Experimente wagt die Band nicht – warum auch? Too Much Information lebt vielmehr vom Eindruck eines Aufbruchs, vom Drehen an ein paar Reglern. Und ein paar Lieder – Leave This Island etwa und Midnight On The Hill – gehören zu ihren besten. Wo Maxïmo Park nicht klingen wie diese Band, die vor zehn Jahren Apply Some Pressure brüllte, da tönen eben andere durch: The Smiths (tatsächlich!) in Lydia, The Ink Will Never Dry, Depeche Mode (echt wahr!) zu Beginn von Leave This Island.

Die deutlichsten Veränderungen bemerkt man, wenn man sich dem gesungenen Wort widmet. Nicht mehr so politisch wie zuletzt sind die Texte, stattdessen sind es beklemmende Berichte prekärer Beziehungen. In vielen Songs stellt Paul Smith Bezüge zu Büchern und Filmen her, die ihn beeinflusst haben. Her Name Was Audre ist eine Hommage an die lesbische schwarze Feministin Audre Lorde – deren starke Stimme gegen Rassismus und Homophobie im Jahr 1992 nach langer Krankheit verstummte. Die im Booklet abgedruckte Leseliste verweist auf den ihr gewidmeten Dokumentarfilm A Litany For Survival. Mark Cousins What Is This Film Called Love verarbeitet Smith in I Recognise The Light, die auch in der Form oft außergewöhnlichen Kurzgeschichten von Lydia Davis in Lydia, The Ink Will Never Dry. Überall schwingt große Wehmut mit.

Am Ende steht Where We’re Going, ein mehrstimmiges Folkliedchen, das auch noch Crosby, Stills & Nash ins Boot holt. „I don’t know where we’re going, but you know where we’re going and if you know where we’re going, well that’s fine with me„, singt Smith darin. Das klingt nicht, als sei mit Too Much Information das letzte Wort von Maxïmo Park gesprochen. Und wer weiß, vielleicht sind die Erwartungen beim nächsten Mal ja wieder höher.

„Too Much Information“ von Maxïmo Park ist erschienen bei Universal Music/Vertigo.