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Dudelsäcke und Beats

 

Ein Trio aus Edinburgh zeigt den sanften US-Rappern, was eine Harke ist: Die Young Fathers bringen dem Hip-Hop popmusikalische Vielfalt bei. Da muss man zuhören.

© Big Dada
© Big Dada

Allein die Geschichte der Young Fathers weist große Straßenglaubwürdigkeit auf: Alloysious Massaquoi kommt aus Liberia, Kayus Bankoles Eltern stammen aus Nigeria, ‚G‘ Hastings ist aus Edinburgh, wo inzwischen alle drei leben. Dem ersten Album – nach einer Reihe EPs und Mixtapes – hört man alles und nichts davon an.

Wären Young Fathers aus New York, dann hätten sie schon gewonnen. Hätten Why? weggeschubst, deren Raps zwar clever, deren Beats aber viel zu weich sind. El-P würde sich mitsamt seiner eiskalt kalkulierten Double-Time-Attacken in die Arme von Killer Mike verkriechen, und De La Soul müssten im soulverliebten Hip-Hop zumindest ein Stück rücken. Immerhin erscheint das Album Dead nicht nur auf dem britischen Label Big Dada, sondern parallel in den USA auf Anticon, alles ist also nur noch eine Frage der Zeit.

Sämtliche Einflüsse der Young Fathers zu sortieren wäre müßig. Sie selbst scheinen kein Interesse daran zu haben. Den Krach und Staub der Brooklyner Hinterhöfe vermischen sie mit knallhartem Londoner Grime, die Dudelsäcke mit ballernden Beats. Stellenweise klingt ihre Musik wie die Gewehrsalven, mit denen M.I.A. ihre politische Agenda betont. Dann wieder könnte man mit den afrikanisch inspirierten Chören eine Rückschau der schönsten Fußball-WM-Momente 2010 untermalen. So leicht kriegt man Young Fathers nicht zu fassen: „I just want to make life easy on your eyes/ You just want to ease me with your lies.“ Nur weil es schön ist, muss es nicht harmlos sein.

Ohnehin ist das Album Dead in weiten Teilen nicht ganz angenehm zu hören. Wenn die drei Rapper ihr Publikum nicht abwechselnd mit unbequemen Wahrheiten über Geld, Macht und Lügen konfrontieren, dann lassen sie Beats knacken und Bässe knurren oder schmatzen sich durch bedrohliche Strophen, um zum Refrain zwischen hupenden Synthies und geprügeltem Klavier im Stakkato-Soul zu landen.

Glatt geht hier grundsätzlich nichts. Aber die Young Fathers lieben die Finte: Immer wieder wähnt man sich im straighten Rap und steht plötzlich mitten im Wald. In der einen Sekunde flüstern sie zu staubtrockenem Klatschen, in der nächsten entfaltet sich ein R’n’B-würdiger Melodiebogen. Wo sich gerade noch oldschooliger Soul mit einer Rückkopplung ankündigte, geht jetzt ein Schauer aus Flöten, Raunen und Regenhölzern nieder. Jedes Versatzstück ist so fesselnd, dass man gern blind mit zum nächsten springt. Das ist der Trick. Fürs Radio ist Dead nicht geeignet, es wäre zu gemein, nach nur drei Minuten aufzuhören.

Dead
braucht Zeit. Seine 35 Minuten fühlen sich manchmal wie drei Stunden an und gestatten keine Nebentätigkeiten. Man sollte das Album allein hören. Anderen Leuten müsste man zu viel erklären. Etwa, dass Young Fathers bei all den drohenden Tönen kaum so böse fluchen wie ihre Kollegen. Glaubt einem ja doch keiner.

„Dead“ von Young Fathers erscheint bei Big Dada.