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So uncool, wie man sich fühlt

 

Jugendfrei, gut gelaunt und harmlos rebellisch: Die Münchner Rapperin Fiva besingt eine Normalität, die Kids wie Cro ohne Maske peinlich wäre.

© Kopfhörer
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Als Normcore als Scherz enttarnt wurde, war Fiva schon im Studio. Das fünfte Album der Rapperin dürfte vor lauter Spießerthemen und unangesagten Features eigentlich nur die unwichtigen Leute unter zehn und über dreißig rühren. Tut es aber nicht.

Die Idee war schon bei Marge und Homer Simpson verkehrt, als die sich in elterlicher Logik für so uncool erklärten, dass es schon wieder cool sein müsse. Bart und Lisa konnten darüber nur die Augen verdrehen. Und das verstehen jetzt schon die Richtigen, weil Simpsons-Referenzen gerade wieder gehen, während man beispielsweise mit South Park auf der Bank sitzen bleibt. Sich anzubiedern bringt es eben genauso wenig, wie gar keinen Plan zu haben. Noch bewegt sich Fiva ganz gut dazwischen.

Die Münchenerin Nina Sonnenberg war ohnehin nie eine für breite Hosen oder richtig fiese Beats. Das überdeutliche Sprechen hat sie beim Poetry Slam gelernt, inzwischen verdient sie als Radiomoderatorin ihre Miete damit. Auf einschlägigen Festivals geht immer genau dann die Sonne besonders malerisch unter, wenn sie mit Blümchenkleid und breitem Grinsen auf die Bühne steigt, bevor und nachdem darauf bullige Männer mit Handtüchern um den Hals in ihre Mikros nuschelten – und meist bleiben diese Handtuchhalter dann am Rand stehen und schauen ihr zu.

Drei Alben lang lief ihr jugendfreier Sprechgesang immerhin noch unter Hip-Hop. Die Beats stammten zunächst von ihrem Labelpartner DJ Redrum, dann von Flip. 2012 suchte sie sich fürs vierte Album eine Band zusammen, nannte sie Das Phantom Orchester und gab die Genres offiziell auf. Auf Die Stadt gehört wieder mir landeten so nicht nur zwei Drittel der Sportfreunde Stiller, Streicher und Kontrabass, sondern auch Songtitel wie Mein Herz tanzt Farben, für deren angemessene Beleidigung echte Rapper sich erst mal ein paar neue Minderheitenadjektive draufschaffen müssten. Wie cool kann Rap schon sein, zu dem man im Kinderladen feiern kann, zu dem aber kein ordentlicher Tween den Hintern schütteln würde?

„Um wirklich cool zu sein, sind wir viel zu alt“, stellt Fiva also auch auf Alles leuchtet wieder selbstbewusst fest, hat damit aber tatsächlich nur so halb recht. Zwar gibt sie sich alle Mühe, kilometerweit an jeder Hipness vorbeizusingen, lädt auch noch den dritten und nervigsten Sportfreund Peter Balboa ein, lässt den Refrain zum klavierklimpernden Titelsong von einer Wiener Soulband namens 5/8erl in Ehr’n in vollem Dialekt einschwoofen und lehnt sich mit Songs wie Du bist nicht mein Monster gefährlich weit in den Duktus sich trommelnd therapierender Frauengruppen. Aber sie hält sich dabei auch so klug aus allen Schrankwandschubladen heraus, dass kaum ein Bausparer damit glücklich werden dürfte.

Ein Sommer lang nur tanzen, aus dem die uncoole Zeile stammt, ist eine Ansage gegen Bürohockerei und für mehr mutige Planlosigkeit, Julia Engelmann mit echter Lebenserfahrung sozusagen, und damit wirklich ein wenig gewagt. Eine Mittdreißigerin, die lieber Pommes im Freibad isst als Kind und/oder Karriere zu planen, darf man schon rebellisch finden. Im Jahr der Judith Holofernes, deren Muttertieralbum vor allem die Musikredaktionen der Bioladenzeitschriften begeistert, und des Samy Deluxe, der im Alter ganz neue Komplexe kompensiert, beschreibt Fiva einen mindestens so realistischen Weg.

Das Beste ist noch nicht vorbei bedeutet nicht, dass man auch mit Babykotze auf der Schulter abends ausgehen soll. Aber es fordert Hörer allen Alters dazu auf, einfach mal zu machen. Fiva macht, mit unerschütterlichem Grinsen und einer poppigen Lässigkeit, was Kids wie Cro ohne Maske peinlich wäre.

„Alles leuchtet“ von Fiva ist erschienen bei Kopfhörer.