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Nur wegen der Party?

 

Die musikalischen Geschwister Julia und Angus Stone wollten nach erfolgreichen Alben getrennte Wege gehen. Dann rief Rick Rubin an und überredete sie zu einer neuen gemeinsamen Platte. Das hört man leider.

© Jennifer Steinglen
© Jennifer Steinglen

Mal ein Gedankenspiel: Sie haben sich vor Kurzem von ihrem Partner getrennt. Beide sind Sie nun Single, und zwar nicht unglücklich – da ruft der reiche Onkel aus Amerika an und verkündet, er habe endlich den perfekten Ort für die Hochzeitsparty gefunden.

Große Villa, Blick aufs Meer. Sie dürften alle Freunde einladen, Geld spiele keine Rolle, nur fix Ja sagen müssten Sie. Würden Sie darüber nachdenken? Unter welcher Bedingung würden Sie es noch mal miteinander zu versuchen? Klar, alles müsste anders laufen. Vielleicht müssten Sie am Ende doch sowas wie erwachsen werden?

Klingt ein bisschen schräg, zumindest sehr nach Hollywood-Romanze. So ähnlich aber kann man sich die Entstehung des neuen Albums der Geschwister Stone vorstellen. Die beiden haben vor ein paar Jahren zwei Platten mit wunderbar leichtfüßigen Neo-Folk-Songs gefüllt, bekamen Preise und ausverkaufte Touren hinterhergeworfen. Dann aber waren sie sich einig: Wir brauchen eine Pause. Wir brauchen Soloalben. Heute sagen Julia und Angus, sie hätten eigentlich keine Pläne gehabt, wieder gemeinsam Musik zu machen. Da klingelt das Telefon und der Starproduzent Rick Rubin spielt den Onkel von der Westcoast. Also ab in den Flieger, nach Malibu.

Anders machen wollten sie etwas Grundlegendes: endlich eine richtige Band werden. Nicht mehr wie früher Hälfte-Hälfte, sechs Songs Julia, sechs Songs Angus, ein bisschen arrangieren, fertig. Sie wollten zum ersten Mal gemeinsam jammen und gemeinsam Material schreiben. Das hört man vielen Stücken des neuen Albums dann auch an. Es gibt eine Menge Schönes: den stampfenden Opener A Heartbreak, die Mini-Hymne Get Home oder das sich mantra-artig hochschraubende Please You. Songs wie Heart Beats Slow, Grizzly Bear oder Other Things aber klingen doch sehr nach Rumgedudel im Studio.

Das Gute daran ist, dass Julia nicht mehr bloß die Elfe gibt neben Angus‘ Waldschrat-Bariton. Sie dehnt ihre halb gerappten Zeilen, als sei sie eine verlorene Tochter von Patti Smith, der das Leben in den vergangenen Jahren ruppig mitgespielt hat. Hin und wieder breiten sich sogar düstere Töne aus, langsame, hallige Feedback-Gitarren, als liefe im Ankleidezimmer ein David-Lynch-Film rückwärts. Es wird auch mal heftig an der Poolbar gerockt (Little Whiskey) oder im Garten dem großen Vorbild Neil Young gehuldigt (Crash and burn).

Das ergibt ein stilistisch geschlossenes Album – kann man prima durchhören, im Flugzeug auf dem Rückweg von der Küste. Den meisten Songs fehlen trotzdem die starken Melodiebögen, die die Geschwister eigentlich so gut spannen können. Man vergleiche etwa My Word For It mit ihrem, zugegeben, Über-Hit Big Jet Plane. Rick Rubins Produktion langt oft ein wenig heftig zu, wenn beispielsweise in From The Stalls das Schlagzeug so laut abgemischt ist, dass sich das Stück beinahe vor Schreck am Champagner verschluckt.

Wollten die Geschwister also auf diese Art erwachsen werden? Die Verspieltheit der ersten Alben transzendieren, diese Sehnsucht nach perfekten Pop-Perlen, bunt und rund und hübsch? Wollten sie die alten Erinnerungen aufrauen und schauen, was übrig bleibt? Als Begründung einer späten Hochzeit grundsätzlich in Ordnung. Aber als Ansatz eines ganzes Albums? Ein bisschen schade ist es schon, so der eigenen Musik die Jugend auszutreiben. Trotz Meerblicks und Onkel Rubins, der noch immer davon schwärmt, was für eine Hammer-Party es war.

„Angus & Julia Stone“ ist erschienen bei Universal Music.