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Der Dubstep-Satiriker

 

Rustie gehört zu den waghalsigsten Beat-Baumeistern der Gegenwart. Sein neues Album „Green Language“ führt den Männlichkeitsrausch mancher Produzenten als hohles Posing vor.

© Warp/Rough Trade
© Warp/Rough Trade

In Großbritannien sind gerade ein paar hoch gehandelte Elektro-Produzenten dabei, sich um den Verstand zu verniedlichen. Der Londoner Sophie geht stramm voraus: Seine Tracks heißen Bipp und Lemonade, sie bestehen aus betont zahnlosen Bässen, allerlei Gluckersounds und bis zur Geschlechtsneutralität verfremdetem Zuckerwatte-Singsang.

Der bislang anonym agierende Musiker greift dabei unter anderem Errungenschaften auf, die dem Schotten Russell Whyte alias Rustie vor drei Jahren mit seinem Debütalbum Glass Swords gelungen waren.

Während Sophie und einige Weggefährten das Maximalismus-Manifest mit K-Pop-Anleihen und Barbie-Ästhetik zur endgültigen Reizüberflutung treiben, ist Rustie schon einen Schritt weiter. Sein neues Album heißt Green Language, und vordergründig betrachtet nimmt auch diese Platte am aktuellen Süßigkeitswettbewerb der Konkurrenz teil. Tatsächlich macht sich Rustie das Stilmittel der Verniedlichung aber nur zu eigen, um ganz andere Entwicklungen in der elektronischen Musik auf die Schippe zu nehmen.

Dubstep-Dampframmen wie Deadmau5 und der unvermeidliche Skrillex sind längst Fixpunkte von Festivals und Studentenverbindungspartys. Im Trap-Rap findet ihre Musik einen Bruder im Geiste: Die urgewaltigen Genre-Verrohungen von Hip-Hop-Künstlern wie Three 6 Mafia sind kein Phänomen mehr, das nur den Stripclubs der US-amerikanischen Südstaaten einen Soundtrack schenkt. Rustie muss sich das alles genau angehört haben. Jetzt macht er seine eigene Musik daraus.

Der Produzent nimmt seinen Vorlagen ihre aggressive Männlichkeit, indem er sie in eine Soundwelt aus plastikverkleideten Oberflächen und überbelichteten Momentaufnahmen entführt. Auf Green Language sind die Geräusche so sauber, grell und künstlich, dass musikalische Hahnenkämpfe und hormonüberschüssiges Authentizitätsgehabe als leere Posen entlarvt werden. Rustie beschleunigt die Musik, bremst sie aus und zwingt sie zum Richtungswechsel. Er spielt mit ihr und gibt ihre Gepflogenheiten der Lächerlichkeit preis. Den auf Tanzflächen stets herbeigesehnten bass drop, das Hochgebet jeder Dubstep-Messe, führt er in Velcro als letztes Aufbäumen eines altersschwachen Gameboys vor.

Rusties Kollaborateure sind offenbar eingeweiht in diesen Spaß. Besonders der Detroiter Rapper Danny Brown glänzt in seiner Rolle als ewig hungriger Partylöwe und Aufreißer. Mit großem Einsatz stemmt er sich gegen das Sirenengeheul der stressigen Vorabsingle Attak. Brown gelingt dabei ein Balanceakt zwischen raptypischem Machogehabe und absurden Übersteigerungen desselben. Der scheinbar grobmotorische Track funktioniert vor allem dank seines Feingefühls für die richtige Stimmungslage.

Das Beste an Green Language aber ist: Man kann „Trap“ auch für einen Tippfehler halten oder „Skrillex“ für ein verschreibungspflichtiges Medikament – den Spaß an dieser Platte mindert das nicht. Dieselbe Sorgfalt, mit der Rustie jeden Schritt und Gastauftritt plant, kommt ihm auch hier zugute. Green Language ist atemberaubende Soundtüftler-Musik, beinahe überfüllt mit verwegenen Volten und Geräuscherfindungen. Ein Hochleistungsalbum von einem der besten Produzenten der Gegenwart. Versteht man auch noch, wem er damit eine lange Nase dreht, wirkt es umso stärker.

„Green Language“ von Rustie ist erschienen bei Warp/Rough Trade.