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Großartig gepflegte Langeweile

 

Jillians Banks hat eine neue Idee von Soul: mondän, luxuriös, fast seelenlos. Selten klang schickes Dahingeschlurfe so gut wie auf ihrem Debütalbum „Goddess“.

© Universal Music
© Universal Music

Es ist dann doch nur der Anrufbeantworter dran. „Hi, Du hast Banks erreicht. Hinterlasse eine Nachricht.“

Als Jillian Banks noch nicht die neue Pop-Diva war, die sie jetzt ist, sondern es nur die Hoffnung gab, dass aus ihr die neue Pop-Diva werden könnte, da hatte sie auf ihrer Facebook-Seite verkündet, dass sie nicht so viel halte von diesem ganzen viralen Gedöns, sondern lieber persönlich mit Menschen telefoniere: „Um das Soziale-Medien-Zeugs kümmert sich mein Manager. Wer mit mir reden will, kann anrufen: 001-323-362-2658-22657.“

Mittlerweile ist gut ein Jahr vergangen, das Interesse ist seitdem stetig gewachsen, nun endlich erscheint ihr Debütalbum Goddess, und Banks geht nicht mehr ans Telefon. Muss sie auch nicht. Erstens hat sie als angehender Popstar momentan vermutlich allerhand zu tun. Und zweitens gibt es ja jetzt Goddess, mit dem einige Fragen beantwortet werden.

Vor allem diese eine, wichtigste Frage: Hält das lang erwartete Album dem geschickt orchestrierten Hype stand um die 26-Jährige aus Los Angeles, die lange Zeit ein Geheimnis um ihre Identität machte und bis heute sparsam mit Informationen umgeht? Die Antwort: ein eindeutiges Jein. Goddess ist ein glamouröses, dunkel schillerndes Werk mit Infektionsgefahr, aber nicht notgedrungen die Offenbarung, auf die sich manche seit Monaten vorbereitet hatten.

Die besten Stücke des Albums sind die bereits bekannten, allen voran der programmatische Titelsong, in dem Banks über einem nervenzerfetzend langsam schlurfenden Rhythmus allen Typen die Leviten liest, die nicht begreifen wollen, dass in jeder Frau eine Göttin versteckt ist. Oder Waiting Game, das aus einem spartanischen Klavier, monotonem Hintergrundchor und ungehobelten Beats ein beängstigend intimes Hörerlebnis schafft.

Das Geheimnis dieser Intimität, die auch in Songs wie You Should Know Where I’m Coming entsteht, ist nicht unbedingt der Sound. Die zeitlupenartigen, basslastigen Tracks, die Banks mit der Hilfe von angesagten Londoner Produzenten wie Jamie Woon, Li Silva oder SOHN erstellt hat, sind nur die perfekt eingerichtete Bühne für ihre Stimme, die einerseits kühl und abweisend klingt, andererseits alles preiszugeben verspricht. Diese Stimme ist die musikalische Entsprechung zur medialen Inszenierung: Banks macht ihre Telefonnummer öffentlich, aber verschweigt monatelang ihren Vornamen. So entsteht genau jene Ambivalenz, aus der die Aura einer Diva erwachsen kann.

Die geheimnisvolle Geste, das mysteriöse Versprechen beherrscht Jillian Banks also zweifellos besser als ihre aktuellen Konkurrentinnen wie Lorde oder Jessie Ware – und im Vergleich zu Lana Del Rey hat sie sicherlich die besseren Beats. Auf Albumlänge allerdings stellt sich bisweilen Ernüchterung ein. Zu abgezirkelt, nahezu körperlos, bisweilen sogar seelenlos erscheint diese moderne Idee von Soul. Ja, Goddess wirkt mitunter so mondän, so luxuriös, als sollte bloß gepflegte Langeweile vertont werden. Aber selbst die klang selten so großartig wie auf Goddess.

„Goddess“ von Banks ist erschienen bei Capitol/Universal.