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Aus dem Smokingärmel geschüttelt

 

Bryan Ferry geht gern auf Fuchsjagd und bewundert Albert Speer. Sein neues Album „Avonmore“ aber ist der Inbegriff von Lounge-Pop.

© Simon Emmett
© Simon Emmett

Mühelos kann man sich ihn in einem Morgenmantel auf einer Terrasse über dem Lago Maggiore vorstellen, einen Martini in der Hand. Oder in einer knappen weißen Badehose auf dem Deck einer Jacht im Azurblau, den gekühlten Champagner griffbereit. Seit dem Ende von Roxy Music 1984 hat sich Bryan Ferry vom flamboyanten Glamrocker zum Inbegriff einer maskulinen Eleganz verfeinert, die man im Pop heute vergeblich sucht. Nun hat der 69-Jährige noch einmal ein Album aus dem Ärmel seines Smokings geschüttelt, das ihm nicht unbedingt mehr zuzutrauen war.

Schlagzeilen produzierte er mit seinem Eintreten für die Fuchsjagd, seiner Bewunderung für die Ästhetik von Albert Speer und seiner kurzen Ehe mit einer jungen Frau, die er seinem eigenen Sohn ausgespannt hatte. Seine Musik wirkte parfumhaft. Aufgetragen, um die verführerische Wirkung des Dandys noch zu steigern. Zuletzt coverte er Kurt Weill, Bob Dylan und das eigene Frühwerk, gekleidet in die Abendgarderobe des Jazz der zwanziger Jahre. Das war nett anzuhören, wäre aber nicht nötig gewesen.

Mit Avonmore verhält es sich anders, und das schon auf den ersten Blick. Nicht nur das Cover mit einem Porträt des Künstlers in jungen Jahren könnte aus den späten achtziger Jahren stammen. Auch die Songs erinnern daran, was für ein wundervolles Genre der Lounge-Pop einmal gewesen sein muss – damals, als Ferry ihn noch verkörperte. Es scheint ihm ein Bedürfnis gewesen zu sein, mit luxuriös arrangierten Eigenkompositionen noch einmal den Nachweis seiner künstlerischen Qualitäten zu führen. Es ist geglückt, und das nicht nur wegen Mitstreitern wie Maceo Parker, Flea, Nile Rodgers oder Mark Knopfler. Sondern wegen dieser unverwüstlichen Schlafzimmerstimme. Ihr Timbre ist noch immer so weich und ihr Vibrato so sehnsüchtig, dass Besitzer exklusiver Nachtclubs sich den Innenarchitekten sparen könnten – einfach Bryan Ferry auflegen, schon sieht alles viel kostbarer aus.

Auf Avonmore klingt selbst Langeweile nach Gediegenheit. Richtig aufregend wird es, wenn der solide Songwriter dem begnadeten Interpreten weicht. Johnny and Mary von Robert Palmer ist oft gecovert worden. Aber nie so formvollendet wie jetzt von Ferry, der dem Song buchstäblich und sprichwörtlich neues Leben einhaucht. Wenn der Mann wirklich aus der Zeit gefallen ist, dann unversehrt. So wie es nur Klassikern vergönnt ist.

„Avonmore“ von Bryan Ferry ist erschienen bei BMG/Rough Trade.

Aus der ZEIT Nr. 49/2014