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Ganz nah am Strand

Beine ausstrecken und genießen! Cluesos Album „Weit weg“ taugt trotz ernster Untertöne als Begleitmusik für den Sommer 2006

Weit Weg

Clueso heißt eigentlich Thomas Hübner und kommt aus Erfurt, einer Stadt im Osten Deutschlands, in der viele Menschen an ihren Aussichten zweifeln. Sein Künstlername erinnert nicht zufällig an den stets hochmotivierten, jedoch nur selten erfolgreichen Inspektor Clouseau aus dem Rosaroten Panther. Mit seinen bisher zwei Alben und einem Auftritt bei Stefan Raabs Bundesvision Contest erregte er Interesse – zum großen Durchbruch kam es noch nicht.

Vielleicht auch deshalb blieb der Künstler auf dem Boden und widmete seinem neuen Album Weit weg große Aufmerksamkeit.Ich geb ständig mein Bestes“, singt er. Und wenn das nicht reicht, helfen Freunde wie Max Herre von Freundeskreis oder die New Telepathics, ein Soundtüftelprojekt des Serafin-Musikers Darryn Harkness.

Denn wenn man im Nachhinein erfährt, wie viel konstruiert ist, wird einem so kalt, dass man fast erfriert. Vielleicht sind wir alle schon komplett gestört, dass uns ringsrum so viel Schwachsinn völlig fasziniert.“

Gymnasiastenpop? Thüringer Hauptschule! Er kennt mehr vom Leben als manche durchproduzierte Nachwuchsband. Das zeigt sich in den Texten wie in den Stimmungen. In Chicago beispielsweise: äußerlich ein plätschernder Popsong, doch wehe, man achtet auf den Text. Es geht um das Ende einer Drogenkarriere – und Clueso ist hier ungleich ernster als noch in Vergessen ist so leicht vom Vorgängeralbum Gute Musik. Sein Nichteinverstandensein mit vielem ist das eine, welche Worte er dafür findet, das andere.

Sprechgesang, unterlegt mit eingängigen Beats, so definiert sich HipHop. Clueso macht demnach keinen. Zwar reimen sich die meisten seiner Liedzeilen, manches mal jedoch nur aufgrund von Dialektfärbungen. Wer einen deutschen Eminem erwartet, wird von der Musik wie vom Text enttäuscht.

Alle anderen dürfen sich freuen: Clueso rappt nicht – er ist ein einfallsreicher Liedermacher, offen nach vielen Seiten: hier ein bisschen Punk (in Hirn ein), dort ein wenig Reggae und dann, natürlich, die akustische Gitarre. Der zusammen mit Max Herre aufgenommene Song Da wohnt so ’n Typ schwankt zwischen rockigem Refrain und entspannten Strophen. Deutschpoppern wie Selig (bei Überall bist Du) ist er oft näher als vielen seiner HipHop-Kollegen.

Wer deutsche Popmusik mag, nichts gegen Sprachakrobatik und musikalische Anleihen aus verschiedenen Genres einzuwenden hat, kann mit Weit weg einen wunderbaren Sommer erleben. Caipirinha raus, Beine hoch, genießen!

„Weit Weg“ von Clueso ist als CD erschienen bei Sony BMG.

Hören Sie hier „Chicago“