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Romney, der böse Kapitalist

 

Als Präsident will Mitt Romney die Wirtschaft der Vereinigten Staaten wiederbeleben, die Arbeitslosigkeit senken oder einfach: Amerika zurück zu alter Stärke führen. Warum er das besser können sollte als Amtsinhaber Barack Obama, begründet der republikanische Kandidat stets schlicht mit seinen Erfahrungen und Erfolgen als Geschäftsmann. Da erscheint es nur fair, wenn Obamas Wahlkämpfer und US-Medien eben dort besonders genau hinschauen.

Schon in der Auseinandersetzung mit seinen parteiinternen Konkurrenten war Romneys Laufbahn als Finanzinvestor eine offene Flanke für eine Vielzahl schwerer Angriffe auf seine Reputation als Politiker. Sein Mitbewerber Newt Gingrich, der sich inzwischen auf die Seite des Obama-Herausforderers geschlagen hat, bezeichnete ihn während der Vorwahlen als „vulture capitalist„, als Geier-Kapitalisten. Das Zitat „Ich mag es, Leute zu feuern“ hielten ihm die Gegner bei jeder Gelegenheit vor.

Doch inzwischen ist der Streit um die von Romney gegründete Investmentfirma Bain Capital ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt. In erster Linie geht es darum, wie lange der Kandidat dort noch in der Verantwortung stand. Ob er seine aktive Rolle in dem Unternehmen – wie er selbst nimmermüde betont – im Jahr 1999 vollständig aufgab, um sich auf seine Aufgabe als Organisator der Olympischen Spiele in Salt Lake City zu konzentrieren. Oder ob er darüber hinaus weiter Einfluss auf das operative Geschäft nahm.

Denn gerade in der Zeit nach 1999 hatte Bain Capital in Firmen investiert, die Jobs unter anderem nach China oder Mexiko auslagerten und amerikanische Mitarbeiter entließen. Ob Romney an diesen Entscheidungen teilhatte oder nicht – die einen sagen so, die anderen so. Mother Jones, Boston Globe und Talking Points Memo haben sich dazu Berichte von Bain Capital an die Finanzaufsicht SEC angesehen; dort ist Romney für die Jahre 2000 und 2001 jedenfalls noch als Entscheidungsträger geführt, und dort taucht auch seine Unterschrift auf. FactCheck.org und die Washington Post kommen dagegen zu dem Schluss, er habe ab 1999 bei Bain Capital nichts mehr zu sagen gehabt.

Für das Wahlkampfgeschehen spielt der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe erst einmal eine untergeordnete Rolle, dafür sind die wirklichen Umstände vermutlich auch viel zu komplex. Unter Umständen hatte Romney bei den fragwürdigen Investitionen nicht mehr die Finger im Spiel, doch das Obama-Lager schert sich wenig um die Details und schlachtet das Thema genüsslich aus. „Mitt Romney ist nicht die Lösung. Er ist das Problem“, heißt es in einem Fernsehspot (oben). In einem anderen Spot (unten) tritt ein Stahlarbeiter des Unternehmens Kansas City Steel auf, der Bain Capital als Vampir bezeichnet; „Sie kamen rein und saugten unser Leben aus“. Bain Capital hatte Kansas City Steel gekauft, acht Jahre später ging die Firma bankrott. (Bemerkenswert ist, dass eben jener Stahlarbeiter deutlich gemacht hat, Obama werde er in keinem Fall wählen, denn er habe nichts von dem in die Tat umgesetzt, was er angekündigt habe.)

Die aggressiven Spots zeigen Wirkung: In den wahlentscheidenden „swing states“ können die Menschen kaum den Fernseher anschalten, ohne diese Botschaften wahrzunehmen. Und eben dort zeigen Umfragen, dass ein knappes Drittel der Wähler die Informationen über Romneys Zeit bei Bain Capital als Grund sieht, nicht für ihn zu stimmen – während landesweite Erhebungen ein ausgeglichenes Meinungsbild ergeben. Romneys Kernargument „Ich kann es besser, weil ich die Wirtschaft kenne“ verliert jedenfalls an Kraft, je länger die Diskussion um sein Geschäftsgebahren bei Bain Capital andauert.

Als Anlass für eine Grundsatzdebatte über den amerikanischen Kapitalismus taugt das Thema nicht. So groß ist der Unterschied einfach nicht: Obama steht für eine deutlich stärkere Rolle des Staates und weniger ungebändigten Kapitalismus, Romney für etwas weniger Staat und eben eine kleine Nuance mehr Kapitalismus. Doch im Wahlkampf sehen die Realitäten eben anders aus. Obama will sich als Kämpfer für Fairness und Chancengleichheit präsentieren und muss Romney deshalb einen boshaft-kapitalistischen Politiker nennen. Dass Obama während seiner Amtszeit selbst wenig dafür getan hat, die Freiheit der Märkte zu begrenzen oder die Spielräume für Firmen wie Bain Capital einzuschränken – diese Kritik muss sich der Präsident gefallen lassen.