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Romney verscherzt es sich mit den Frauen

 

Sprechen wir mal über Frauen und nicht immer nur über die Wirtschaft. Selten genug ist das in diesem US-Wahlkampf bislang an prominenter Stelle geschehen: In der ersten TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney und Barack Obama und auch beim einzigen Schlagabtausch ihrer Vizekandidaten hat man im Grunde wenig über Themen gehört, die Frauen besonders betreffen. Ja, im Duell zwischen Paul Ryan und Joe Biden ging es auch einige Sätze lang um Abtreibung. Doch Moderatorin Martha Raddatz fragte die Männer – beide Katholiken – nach ihrer persönlichen Haltung und ihrer religiösen Verortung. Was die beiden Vizekandidaten zu sagen hatten, blieb daher zwingend an diesem Blickwinkel orientiert.

Romney, der doch am liebsten immerzu über die Wirtschaft reden möchte, wird das ganz recht gewesen sein. Im parteiinternen Vorwahlkampf hatte er sich beim Thema Abtreibung möglichst auf der harten Linie des extrem konservativen Flügels der Republikaner gehalten. Zuletzt war er auf eine moderatere Position eingeschwenkt – wissend, dass er bei den Wählerinnen keinen besonders guten Stand hat. Seine bisherige Strategie also: lieber gar nicht und wenn, dann vorsichtig über solche social issues sprechen, bei denen er sich zwischen der rechten Basis und der wahlentscheidenden Mitte positionieren muss.

Das gilt auch für ein Thema, das in der zweiten Fernsehdebatte Romneys große Schwäche war – und Obama glänzen ließ: die faire Bezahlung von Frauen. Dass bei diesem Format mit Fragen ausgewählter, noch unentschlossener Wählerinnen und Wähler aus dem Publikum mindestens ein spezifisches Frauenthema zur Sprache kommen würde, war abzusehen. Dass es ausgerechnet die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Arbeitswelt sein würde, war eine kleine Überraschung. Wie also, so lautete die Frage einer Wählerin, wollen Romney oder Obama eine gleiche Bezahlung beider Geschlechter verwirklichen, wenn beide dieselbe Arbeit leisten.

„Können wir nicht ein paar Frauen finden, die qualifiziert sind?“

Ein „wichtiges Thema“, gestand Romney ein, das ihn sehr beschäftigt habe, als er zu Beginn seiner Amtszeit als Gouverneur von Massachusetts sein Kabinett zusammenstellte. Er habe sich nicht damit zufrieden geben wollen, dass offenbar nur Männer in die zu vergebenen Positionen drängten oder vorgeschlagen wurden. „Meine Güte, können wir nicht – können wir nicht ein paar – ein paar Frauen finden, die genauso qualifiziert sind?“, will er seine Berater gefragt haben. Man habe sich dann viel Arbeit gemacht bei der Suche und verschiedene Frauenorganisationen um Hilfe gebeten – „und sie brachten uns ganze Ordner voll mit Frauen“. Für diese vielleicht unfreiwillig sexistische Formulierung fing sich Romney noch während der Debatte herbe Kritik und beißenden Spott ein (siehe auch die Storify-Zusammenstellung am Ende dieses Textes).

So also sieht der Republikaner die Lösung für eine gleichberechtigte Bezahlung von Frauen: als Akt der Großzügigkeit des Arbeitgebers, der sich einfach die Mühe macht – „es muss doch auch ein paar geeignete Frauen geben“. Und das Einzige, was Romney zu tun gedenkt, um deren Position zu stärken, natürlich: Er bringt die Wirtschaft wieder in Fahrt, dann werden alle Unternehmen derart auf der Suche nach guten Mitarbeitern sein, dass auch Frauen davon profitieren. Wir kennen das, der freie Markt soll es richten. Ohne jetzt einmal mehr alle Argumente für und wider ein Frauenquote zu wälzen, muss man schlicht festhalten: Was eine faire Bezahlung für gleiche Arbeit angeht, hat er das bislang eben nicht leisten können. Selbst in Zeiten, als es der Wirtschaft blendend ging.

Man muss Romney zugute halten, dass er zumindest ein anderes Problem berufstätiger Frauen verstanden hat, ein wenig zumindest: Er habe erkannt, wie wichtig flexible Arbeitszeiten seien. Die übliche Floskel an dieser Stelle wäre „… um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen“. Doch in Romneys Weltbild geht es offenbar vor allem darum, pünktlich zu Hause zu sein, um das Abendessen zuzubereiten.

„Dies ist nicht nur ein Frauenproblem“

Während sich der Republikaner immer noch nicht durchringen kann, eine Gesetzgebung für eine gleiche Bezahlung zu unterstützen, konnte Obama an dieser Stelle mit Sicherheit bei vielen Frauen punkten: Das erste Gesetz, das er bei seinem Amtsantritt unterzeichnete, war der Lilly Ledbetter Fair Pay Act, nach dem Frauen rechtlich gestärkt werden, die für denselben Job schlechter bezahlt werden als ein Mann. Mehr noch, Obama stellte auf viel treffendere Weise den Zusammenhang zum alles überstrahlenden Thema Wirtschaft her.

Frauen seien in zunehmendem Maße die Ernährerinnen von Familien. Angefangen von Obamas Initiative zur Ausweitung von Studienkrediten, über Steuererleichterungen für die Betreuung von Kindern oder die Übernahme der Kosten von Verhütungsmitteln im Rahmen seiner Gesundheitsreform bis hin zu Romneys Ablehnung staatlicher Förderung für die Organisation Planned Parenthood, weil sie mit ihren Gesundheitsangeboten für gering verdienende Frauen auch Abtreibungen unterstützt – der Präsident brachte alle Argumente unter, die ihm schon bislang einen Vorsprung bei den Wählerinnen gesichert haben. Und er schaffte es, die vermeintlich weichen social issues als harte economic issues zu verkaufen, die auch die Männer beträfen: „Dies ist nicht nur ein Frauenproblem, dies ist ein Familienproblem, dies ist ein Problem der Mittelklasse, und deshalb müssen wir dafür kämpfen.“

Auch das ist Wahlkampf, aber man gewinnt den Eindruck, dass Obama zumindest erkennt, mit welchen Hindernissen und Diskriminierungen Frauen in der Arbeitswelt weiterhin leben müssen. Dass der Staat gefragt ist, um dagegen etwas zu tun, wenn die Unternehmen nicht dazu in der Lage sind. Und dass man die Wählerinnen nicht überzeugt, wenn man sie als Objekte betrachtet, die sich in Aktenordnern sammeln lassen.