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Hier ist Afrika (5)

 

„Kämmst du deine Haare selbst?“ Erst irritierte mich die Frage. Ich leide darunter, dass sich kein Friseur an meine Haare traut, aber kämmen kann ich sie selbst. Die Frisur ist das Allerwichtigste an einer kamerunischen Frau. Sie bestimmt ihre Attraktivität, ihre ganze Persönlichkeit. Mir passiert es, dass ich Frauen, mit denen ich gestern gesprochen hatte, heute nicht mehr wiedererkenne: Sie haben von einem Tag zum anderen eine völlig neue Frisur. Gestern noch lange Zöpfe, heute eine glatte Kurzhaarfrisur, übermorgen plötzlich wieder Pony und Pferdeschwanz. Eine gestern grauhaarige ältere Dame lässt sich mal eben blonde Stränchen arrangieren und verjüngt sich gleich um mehrere Jahrzehnte. Wozu dieser ganze Aufwand? Keine Frau ist mit ihrem Haar zufrieden. „Zu stark, zu drahtig, unmöglich zu kämmen, zu dick“, klagen sie.

© ZEIT Grafik

Eine Möglichkeit ist, die Haare ausgiebig mit fetthaltigen Pasten und diversen Chemikalien zu bändigen und nach Belieben um Lockenwickler zu rollen. Alternativ werden die eigenen Haare weitgehend abrasiert und badekappenartige Perücken aufgesetzt. Bei der aufwendigsten Variante werden die eigenen Haare mit Kunsthaar verflochten oder vernäht. Das dauert bis zu sechs Stunden! So kann man rothaarigen oder blonden Kamerunerinnen begegnen, aber auch älteren Frauen mit Jungmädchenfrisur. Diese Konstruktionen werden meist staubschützend unter einem Kopftuch oder Haarnetz verborgen, denn Waschen ist nicht möglich. Allenfalls ölen die Frauen ihre Haare, bis sie sich zwei bis vier Wochen später einen neuen Haarschmuck gönnen.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.