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Ein Gedicht!

Die Autorin besucht die 12. Klasse des Gymnasium Kenzingen. Im Unterricht sollten die Schüler mit Wortschnipseln aus Zeitungen ein dadaistisches Gedicht entwerfen. Dafür schnitten die Schüler Wörter aus, die ihnen zusagten, zogen verdeckt einzelne Wörter heraus und klebten sie auf ein Blatt. Zum Schluss konnten sie den Text noch ergänzen. Da Annika Zöllner am Donnerstag immer die ZEIT mit in die Schule nimmt, konnte sie diese nun einmal im Unterricht gebrauchen.
Dabei entstand dieses Gedicht:

einer zwischen das Licht

GAU, der Hafen, das Image unter dirigierten gewann
das eigene Kleinerwerden der großen Nacht
Zweifeln in Stille durch Glauben
sehr verstörend Zero-Kunst, Liebe
die Natur, die Flucht, bessere tapfere Herzen
Welt-Egoismus in einer Begegnung
& der Allein übersetzt

Annika Zöllner, Endingen am Kaiserstuhl

 

Ein Gedicht!

Asche zu Asche

Wir sehen Reklame mit tausend Lampen
Und sitzen vorm Fernsehn, ohne Gedanken
– Aber alles ist Asche!

Die Computer laufen den ganzen Tag
Jeder lässt das Licht brennen, solange er mag
– Aber alles ist Asche!

Die Politik schaltet ab oder lässt laufen
Die Antwort der Lobby ist, Strom kaufen
– Aber alles ist Asche!

Wir sitzen in warmen Häusern
Vor hellen Fenstern

Und auch sie tun, was ihnen gefällt
Zählen ihr brennendes Geld

– Und alle strahlen!

Ingo Schlösser, Hemer

 

Kuchenlied

nach Matthias Claudius „Abendlied“

Der Teig ist aufgegangen,
Es glühen meine Wangen
So hat mich das erfreut;
Ich musst es einfach wagen,
Und hab ihn fest geschlagen,
Drum ist er rund nun und so schön!

So legt nun, Schwestern, Brüder,
In Gottes Namen wieder
Den Teig jetzt auf das Brett!
Dort kann er endlich ruhen.
Und ich schlüpf aus den Schuhen
Und geh zufrieden in mein Bett.

Dorothea Pouw, Karlsruhe

 

Der Zollstock

Nach Lessing: „Klopstock“

Wer wird nicht einen Zollstock loben ?
Doch als zerbroch’nes Wesen ? – Nein.
Zum Messen will er ganz erhoben
Und vorsichtig entfaltet sein.

Hermann Möllering, Hildesheim

 

Am Geburtstagstisch

Nach Heinrich Heine „Sie saßen und tranken am Teetisch“

Sie aßen westfälisch an Tischen
und sprachen vom Essen viel.
Die Damen in buntesten Rüschen
und Herren auf zartem Gestühl.

Die Torte muß sein gehaltvoll,
die dicke Mamma sprach.
Der Pappa, der ächzet geräuschvoll,
sein Kragen gibt leider nicht nach.

Die Dame schwatzt über Gesundheit,
von Obst und Quark und von Müsli,
und öffnet: „Protest!“ ihren Mund weit
zum Koch hin mit ernsthaftem Grüßli.

Ihr Gatte verkneift sich großmütig
das Schlemmen, die alte Passion.
Madame ist zu Haus nicht so wütig.
Am Ende, was macht es denn schon?

Die Omma schwärmt lauthals vom Pickert,
den Oppa so gerne einst aß.
Die Kleine hat heftig gekichert,
ihr wurden die Äuglein ganz naß.

Ihr Wunschpunsch hat andre Geschmäcker,
sie hat ihres Liebsten gedacht.
Da kennt sie ganz anderes Lecker
zur Nacht, ja, zur künftigen Nacht.

Urte Skaliks-Wagner, angeregt durch: Christel Lechner, Tisch-Installation in der Ausstellung „Alltagsmenschen“

 

Delirium

Nach „Freudvoll und leidvoll“ von J.W.Goethe

Freudvoll
Und fast voll,
Hackevoll sein,
Trinken
Und sinken
Im Mondenschein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt,
Glücklich allein
Im Koma ich lieg‘.

Von Frauke, Sophia und Daniela. Herzlichen Gruß von der Deutschlehrerin Anne Gleich-Trauboth

 

Selber schreiben, sonst gibt’s Schaden!

Sehr frei nach Wilhelm Busch „Max und Moritz, Dritter Streich“

Jedermann im Lande kannte
Einen, den man ‚VON‘ nur nannte,
Manchmal auch nur ‚von und zu‘,
Royale war’n mit ihm per ‚Du‘.

Kluge Reden, große Ziele,
Auf der Bühne DJ-Spiele,
Wie und wo und wann es sei,
All das ist ihm Einerlei.
Alles macht der Herr Minister.
Überprüfen – das vergißt er.

Nämlich, in des Meisters Hause
Kam’s durch Kundus zum Gebrause.
Höher schlugen noch die Wogen,
Als das Schulschiff einbezogen.

Doch die Blogger, gar nicht träge,
Sägen heimlich, mit der Säge,
Ritzeratze! voller Tücke,
In das Zepter eine Lücke.

Als nun diese Tat vorbei,
Hört man plötzlich ein Geschrei:
„He, heraus mit Doktors Graden!
Selber schreiben – sonst gibt’s Schaden!“

Heißt’s im Land, hinauf, hinunter,
Dennoch, er ist wieder munter?
Dieses war der dritte Streich.
Folgt ein vierter dann sogleich?

Gaby Rottler, Weißenburg

 

Der Medien Wort

nach Rainer Maria Rilke: „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“

Ich ärg’re mich so über der Medien Wort.
Sie deuten alles so seelenlos aus
und locken mit Schein und mit Applaus
und zertreten hier und beglücken dort.

Mich zürnt ihre Macht, ihr Spiel mit dem Hohn,
sie sagen uns alles, was ist und ist wahr;
ihren Opfern lassen sie kein gutes Haar;
ihr Gott heißt Auflage und Sensation.

Ich weiß, es gibt Kämpfer gegen den Strom.
Aufmerksamkeit ist ihr wichtiger Lohn.
Die Gefühle der andren sind starr und stumm.
Sie wollen unsere Gedanken dumm.

Peter Weckmüller, Wietze

 

Flughafen Frankfurt, 4. Advent

Über allen Pisten
liegt Schnee
Auf Wartelisten
Ich nun steh,
trag es mit Ruh;
Ach käm nur ein Aufruf der melde,
Wart nur in Bälde,
Startest auch Du.

Olaf Jansen, Toulouse, Frankreich

 

Schnarchen

nach Hermann Hesses „Stufen“

Wie mancher Manne schnarcht und Ruh
Der Unruh weicht, sägst jede Nacht auch Du
Unzähl’ge Bäume und die Frau beginnt zu lauern
Zur Unzeit gar – das darf nicht ewig dauern.

Es muss die Frau bei jedem Schnarchesrufe
Bereit zum Abschied sein und sich abwenden,
Um sich statt Tapferkeit und ohne Kummer
Straff’ren Gaumensegeln zuzuwenden.
Denn jedem Grunzen wohnt ein Schweine inne,
Das uns abtörnt und hilft, zu gehen.

Statt wenig heiter fortan still zu leiden,
Befreien wir uns vom Schnauben und vom Knattern
Des Zungengrundes wiederkehrend Flattern
Wolln nun entspannen, Dämmernächte meiden.
Kaum warn wir wohlig schlummernd an der Schulter
Und traulich eingenickt, da folgt Erschrecken
Nicht mehr bereit zu abendlicher Folter
Kein lärmendes Getös soll uns mehr wecken.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Manch‘ Frau solch Krach entgegen senden,
Doch für mich wird das nun endlich enden…
Wohlan Frau, nimm Dir’n Neuen und gesunde!

Silke Mardorf, Hannover