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Ein Gedicht!

Österlicher Inspizier-Gang
nach Johann Wolfgang von Goethe »Osterspaziergang«

Vom Unkraut befreit ist unser Garten
durch der fleißigen Hände Geschick.
Rundherum schweift der strenge Blick.
Giersch, Quecke und ähnliche Arten
zogen sich hinter Nachbars Zaun zurück.

All’ unsere Sinne sich wieder beleben,
weil Frühlingsboten ihr Bestes geben:
Für die Ohren sind’s die Vogelstimmen –
und die Motormusik beim Rasentrimmen.
Für die Nase der würzige Jaucheduft,
wenn der Bauer das Feld düngt und schwängert die Luft.

Fürs Auge die blühenden Sträucher und Hecken,
Kahlfraß im Beet – dank fleißiger Schnecken.
Fürs Gefühl die Sonne warm auf der Haut,
auf der eine Wespe die Stimmung versaut.
Ein Radieschen für den guten Geschmack,
besonders, wenn es ein Innenleben hat.
Nicht jedoch in unserem Sinne es liegt,
wenn die Wühlmaus Beet und rasen pflügt,
wenn die Kraft der Natur am Unkraut sich zeigt,
das vielfältig sich aneinanderreiht,
und wenn die Ungezieferwelt
sich den Pflanzen zugesellt,
Dann stimme ich in des Gärtners Lied mit ein:
Hier entscheide ich, was darf gedeih’n.

Ingrid Bosch, Hennstedt, Schleswig-Holstein

 

Ein Gedicht!

Im Märzen
(nach dem Volkslied »Im Märzen der Bauer«)

Im Märzen die Oma die Bahncard auspackt,
Sie bringt ihre Koffer und Taschen in Takt.
Sie knobelt und tüftelt und planet und stöhnt,
Direktzug gestrichen – nach Darmstadt – wie blöd!

Nach Hamburg zu reisen – das ist kein Problem,
Studierende Enkel, die muss sie doch sehn!
An der rolltreppe oben, da stehn sie zu zweit,
Die Jugend im Antlitz, die Arme ausgebreit.

Nach München geht’s länger, dafür richtig schön,
Das rheinwasser glitzert, noch bräunlich die Höhn.
Die Japaner, die jauchzen, mit Guide in der Hand.
Die »Frau mit güldenem Kamme« ist ihnen bekannt.

Schon späht sie zur Donau in bayrischer Ferne,
Da winken drei Enkel – was treff ich Euch gerne!
Im Märzen, die Oma, die mag da nicht ruhn,
Und gibt so der Deutschen Bahn richtig zu tun.

Sibylle Korber, Odenthal, Nordrhein-Westfalen