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Die feinen Unterschiede? Ein Vergleich zwischen dem Entwurf und der endgültigen Version des SPD-Bundestagswahlprogramms

 

Die Sozialdemokraten haben sich nach ihrem schlechten Europawahlergebnis auf ihrem Parteitag in Berlin wieder Mut zugesprochen. Im Mittelpunkt stand dabei Frank-Walter Steinmeier, der sich in einer kämpferischen, wieder einmal an Gerhard Schröder erinnernden Rede als Kanzlerkandidat der SPD zurückgemeldet hat. Durch die Konzentration auf den Bundesaußenminister und die Auswirkungen seiner Rede auf die in Lethargie befindlichen Genossen trat der eigentliche Anlass des Parteitages – die Verabschiedung des SPD-Wahlprogramms für die Legislaturperiode des Bundestages von 2009 bis 2013 – leicht in den Hintergrund. Grund genug, um sich im Folgenden kurz anzuschauen, ob sich die endgültige Version des Programms von der schon seit April verfügbaren vorläufigen Variante unterscheidet oder ob die SPD hier Änderungen – quasi durch die Hintertür – vorgenommen hat.

Um diese Frage zu beantworten, wird eine Inhaltsanalyse der bislang vorliegenden Bundestagswahlprogramme zur Wahl 2009 – inklusive des SPD-Wahlprogrammentwurfs vom April – vorgenommen. Die Technik zur Gewinnung der Positionen ist wiederum das auf relativen Worthäufigkeiten beruhende „wordscore“-Verfahren von Michael Laver, Kenneth Benoit und John Garry. Grundlage der Schätzung sind alle Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien seit 1980. Da das Verfahren auch einen Fehlerbereich für die jeweilige Parteiposition ermittelt, sind diese in Form von Balken in der folgenden Abbildung angegeben. Der Punkt, wo sich die Balken schneiden, ist die ermittelte Parteiposition. Unterschieden wird – wie bereits in der Analyse des FDP-Wahlprogramms – zwischen einer wirtschafts- und sozialpolitischen Links-Rechts-Dimension einerseits und einer gesellschaftspolitischen Konfliktlinie andererseits, die zwischen progressiven und konservativen Auffassungen zu Fragen wie etwa Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften unterscheidet.

Die Grafik, in der auch die Positionen der 2005er-Wahlprogramme abgetragen sind, macht deutlich, dass sich die Haltung der SPD zwar nicht auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wohl aber auf dem der Gesellschaftspolitik signifikant in eine moderatere Richtung zwischen April und Juni diesen Jahres verändert hat. Damit nähern sich die Sozialdemokraten wieder der Position ihres 2005er-Wahlprogramms auf der gesellschaftspolitischen Konfliktdimension an und entfernen sich dabei gleichzeitig etwas von den sehr progressiven Positionen der Liberalen und der Grünen, die ja die präferierten Koalitionspartner der SPD sind. Ob diese Positionsverschiebung der Sozialdemokraten ein Signal an die Unionsparteien, deren Wahlprogramm erst gegen Ende diesen Monats vorliegen wird, und damit auch an eine Neuauflage der großen Koalition ist, erscheint jedoch eher unwahrscheinlich. Unter der Annahme, dass das 2009er-Wahlprogramm der CDU/CSU im Politikraum ungefähr dort liegen wird, wo sich auch das Regierungsprogramm der Union von 2005 befindet, ist die inhaltlich „günstigere“ Option für die SPD weder ein Bündnis mit CDU und CSU einerseits noch mit FDP und Bündnisgrünen andererseits, sondern vielmehr die von Müntefering und Steinmeier abgelehnte rot-rot-grüne Koalition. Hier gibt es – zumindest was die beiden hier betrachteten Politikfelder angeht – die größten Schnittmengen. Während es in einem schwarz-roten Bündnis große Unterschiede in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen gibt, so wäre eine „Ampel“ von großen Gegensätzen im gerade in der Wirtschaftskrise zentralen sozioökonomischen Politikfeld gekennzeichnet. Ob es für ein Linksbündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der „Linken“ aber Ende September reichen und die Sozialdemokraten sich unter ihrer jetzigen Führung darauf einlassen werden, ist mehr als fraglich. Um hierauf eine Antwort zu bekommen, müssen wir nicht nur das Wahlprogramm der Union abwarten, sondern vor allem des Wahlergebnis vom 27. September 2009.