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Vier Gründe für Althaus’ Rückkehr

 

Rücktritt? Welcher Rücktritt? Dieter Althaus kehrt zurück, gleich morgen, nur vier Tage nachdem er ankündigte, seine Ämter mit sofortiger Wirkung ruhen zu lassen. Warum? Wir wissen es!

Wow, das macht neugierig. Dieter Althaus galt jahrelang als einer der drögesten Ministerpräsidenten Deutschlands. In den vergangenen vier Tagen jedoch handelte er so kühn, so verwegen, so unergründlich, dass man leicht den Überblick verlieren könnte. Sein Rücktritt sollte „mit sofortiger Wirkung“ greifen, wie er es in einer dünnen Mail mitteilte. Seiner CDU hatte er zuvor nichts verraten. Einsam und allein traf er seine Entscheidung.

Nun aber der Salto, der Umkehrschwung, wie wir Skifahrer sagen. Nicht einmal hundert Stunden nach seinem Rücktritt kündigte Althaus an, es sich anders überlegt zu haben. Das teilte sein Sprecher den verdutzten Journalisten mit. Schon am morgigen Dienstag wird er als geschäftsführender Regierungschef die Kabinettssitzung in Erfurt leiten.

Seither machen wilde Spekulationen in Erfurt die Runde. Warum kommt Althaus zurück? Vier Erklärungsansätze

1. Althaus lässt die Bombe platzen

So orakelt jedenfalls der Online-Auftritt der Bild-Zeitung. Und die sollte man bekanntermaßen, was Althaus angeht, nie unterschätzen. War doch das Blatt so gut über seinen Gesundheitszustand und seine psychologischen Kämpfe nach dem Skiunfall informiert wie kein zweites anderes Medium in Deutschland.

Den Boulevardjournalisten erzählte Althaus, was er nicht mal seinen Parteifreunden sagte. Sie traf er, wenn er selbst für Parteitage zu schwach war. Möglich also, dass Althaus tatsächlich noch ein paar Rechnungen begleichen will. Leider wird die Bild nicht konkreter. Auf die Frage, welchen Inhalt die Abrechnung haben könnte, geht sie nicht ein.

2. Althaus bedient den Reißwolf

Einen Haken hat die Abrechnungs-These dann aber doch. Althaus ist kein Wüterich, kein Stänkerer. Er gilt seit jeher als beratungsresistent. Dass er aber jemanden bedroht hätte, dass er sich öffentlich als Racheengel inszeniert hätte, hat man noch nicht gehört. Insofern ist es wahrscheinlicher, dass Althaus morgen das tut, was viele abgesägte oder entmachtete Chefs so tun: Akten beseitigen, den Reißwolf bedienen, Kopien schwärzen, den Schnapsschrank räumen.

3. Althaus demonstriert seine Macht

Die Verfassung deckt die Sprunghaftigkeit des Landesvaters. Theoretisch ist es möglich, dass Althaus jede Woche zurücktritt, kommissarisch eine Nachfolgerin benennt, die dann aber wieder von Althaus ersetzt wird. Sein Sprecher zitierte heute nicht von ungefähr die Landesverfassung, nach der der Ministerpräsident so lange im Amt bleibt, bis ein Nachfolger gewählt ist. Frau Dietzel ist nicht gewählt, jedenfalls nicht vom Landtag.

Nun, auch eine derart motivierte Rückkehr wäre durchaus menschlich. Althaus wäre nicht der erste, den es schmerzt, dass sich die Welt auch ohne ihn weiterdreht. Da tritt man zurück, und kaum einer trauert einem nach. Alle wollen wissen: Wer wird der Nachfolger? Alle diskutieren plötzlich über Frau Liebknecht und über diesen Pumuckel namens Matschie. Kein Wunder also, dass Althaus da noch einmal seine Macht ausübt, solange er sie hat.

4. Spätfolgen des Unfalls

Es ist ungehörig so etwas anzunehmen. Offenbar sitzen in der ZEIT ONLINE-Redaktion lauter Flegel: Als die Nachricht vorhin über den Ticker lief, gab es kaum jemanden, der das unstete Verhalten Althaus’ nicht spontan in Verbindung mit seinem Unfall brachte. Ein Kollege sagte, wahrscheinlich hat Althaus erst jetzt seinen Tischkalender von 2008 wieder entdeckt. Eine Kollegin spekuliert, es stünden noch viele Sektflaschen vom letzten Silvester in der Staatskanzlei, die er nicht verkommen lassen will. Gut, geschmackvoll ist das nicht. Es reiht sich aber ein in die gängige Althaus-Rezeption der vergangenen Monate: Alles, was er seit dem 1. Januar diesen Jahres tat, wurde in Bezug zu seinem tragischen Unfall gestellt. Vermutlich nicht zu Unrecht: Beobachter, die Althaus lange kennen, sagen, er sei seither nicht mehr der Alte geworden: fahrig und konzentrationsschwach. Auch sein heutiger Rücktritt vom Rücktritt klingt nun mal, sorry, ein bisschen gaga.