Die FDP setzt in ihrem NRW-Wahlkampf total auf die Strahlkraft ihres 33-jährigen Spitzenkandidaten Christian Lindner. Die Homepage, die Plakate, egal, wo man bei den Liberalen derzeit hinschaut, überall grinst einem Lindners Dreitagebart entgegen.
Dem ist schwer zu widerstehen. Der Charme von „Bambi“ (so Lindners Spitzname wegen der schönen Augen) wirkt sogar auf rot-grüne Alphadamen: Sylvia Löhrmann verbat sich zwar am Montag die „Flirtversuche“ Lindners, der an einer Ampel-Koalition interessiert ist. Dabei strahlte und kicherte sie aber äußerst geschmeichelt.
Programmatisch galt Lindner vor Kurzem noch als sozial-liberaler Hoffnungsträger – oder wie es seine Gegner formulierten: als „Säuselliberaler“. Nun, jedoch als Spitzenkandidat, hat Lindner dem Sozial- respektive Säuselliberalismus abgeschworen. Er wirbt mit klassischen wirtschaftsliberalen Themen. Der Standort soll verbessert, die Ladenöffnungszeiten liberalisiert, die Industrie besser unterstützt werden.
Und auch austeilen kann Lindner: Den rot-grünen Regierungsparteien wirft er vor, hemmungslos Schulden zu machen. Die Piraten will er nicht ernst nehmen, weil diese nicht mal ein ordentliches Programm hätten, sagte Lindner unlängst. Was die Nerds da machen, sei „vage und inakzeptabel“.
Allerdings kehren sich Lindners Vorwürfe nun gegen ihn selbst. Schließlich verfügt auch seine FDP über kein ordentliches Wahlprogramm. Inzwischen hat sie zwar einen fünfseitigen, sogenannten „Wahlaufruf“ ins Netz gestellt; aber das hätten die Piraten auch noch hinbekommen. Nicht mehr taufrisch, aber dennoch lesenswert ist dazu der Blog-Beitrag von Mario Sixtus.
Auch mit der Schuldenabbaukompetenz ist es bei der FDP nicht allzu weit her: Satte 800.000 Euro lässt sich die kleine Partei den Wahlkampf an Rhein und Ruhr kosten, teurer als bei Linken und Piraten zusammen. Um diesen Wahlkampf zu finanzieren, musste die FDP einen Kredit aufnehmen, wie ihr Parteisprecher einräumte. Irgendwie müssen die schönen Hochglanzposter ja bezahlt werden.