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Die bayerischen Verwandten und die Größe des Bundestages

 

Die bayerische Verwandtenaffäre sorgt für Turbulenzen. Bei Horst Seehofer. Im bayerischen Kabinett. Im bayerischen Landtag. Bundesweit. Auch bei den Bestuhlungsbeauftragten im Deutschen Bundestag.

Warum? 2009 hat die CSU in Bayern alle 45 bayerischen Wahlkreise direkt gewonnen. Am knappsten war es im Münchner Norden – dort gewann der CSU-Kandidat Johannes Singhammer mit einem Vorsprung von nur 0,9 Prozentpunkten vor dem SPD-Kandidaten Alex Berg seinen Wahlkreis. Im Nürnberger Norden – dem zweitknappsten Wahlkreis – hatte die siegreiche Dagmar Wöhrl schon 5,8 Prozentpunkte Vorsprung vor dem dortigen SPD-Kandidaten. Die bayerische Dominanz bei den Wahlkreisen scheint also kaum in Gefahr zu sein – Verwandtenaffäre hin oder her.

Wie sieht es bei den Zweitstimmen aus? Bayernweit hatte die CSU bei der Wahl 2009 42,5 Prozent der Zweitstimmen bekommen. Damit hätten ihr eigentlich nur 42 Mandate zugestanden. Folge? Drei Überhangmandate, denn jeder der 45 siegreichen Wahlkreiskandidaten der CSU darf natürlich – wie jeder andere siegreiche Wahlkreiskandidat auch – in den Bundestag einziehen. Das alleine kann einen gestandenen Bestuhlungsbeauftragten im Deutschen Bundestag aber nicht schocken.

Aber er weiß natürlich um die entscheidende Neuerung bei der Wahl im Herbst dieses Jahres – das neue Wahlrecht. Überhangmandate, die einzelne Parteien erzielen, werden dieses Mal durch zusätzliche Mandate für die anderen Parteien ausgeglichen. Und wenn die CSU in Bayern Überhangmandate bekommt, dann heißt es schnell: Ausgleichsmandate für alle! Selbst die Brüder und Schwestern der CDU in den anderen Bundesländern nebst allen anderen Parteien und ihren Landeslisten würden davon potenziell in Form von Ausgleichsmandaten profitieren.

Eine exakte Prognose ist zum heutigen Tage natürlich schwierig. Aber ein Blick zurück auf die Wahl 2009 kann helfen. So hat auch der Bundeswahlleiter für die Wahl 2009 eine Simulationsrechnung vorgelegt, wie heute die Sitzverteilung im Bundestag ausgesehen würde, wenn damals schon das neue Wahlrecht gegolten hätte. Ergebnis: Der Bundestag wäre größer geworden: Statt 624 Parlamentariern wären 671 Sitze im Parlament zu besetzen gewesen. Schuld daran wäre allerdings nicht die CSU, sondern die CDU gewesen: Sie hat bei der Wahl 2009 insgesamt 22 Überhangmandate erzielt, die noch schwerer ins Gewicht gefallen wären als die drei Überhangmandate der CSU. Die Überhangmandate der CDU wären die Triebfeder des Ausgleichsmechanismus gewesen.

Drehen wir aber mal an einem einzigen Schräubchen – und nehmen der CSU in Bayern 300.000 Zweitstimmen weg. Sonst nichts. Damit hätte die CSU in Bayern nur noch knapp unter 40 Prozent der Zweitstimmen erreicht. Folge: Ihr hätten damit nur noch 39 (statt 42) Sitze regulär zugestanden, statt drei wären nun sechs Überhangmandate angefallen, die auszugleichen gewesen wären. Und damit wäre jetzt tatsächlich die CSU (und nicht die CDU) die Triebfeder des neuen Ausgleichsmechanismus gemäß dem neuen Wahlrecht geworden.

Und in letzter Konsequenz wäre der Bundestag auf 713 Sitze angewachsen. Die CDU hätte zusätzlich zu ihren 22 Überhangmandaten in anderen Bundesländern 13 Ausgleichsmandate bekommen, um das paritätische Verhältnis zu den Sitzen der CSU wiederherzustellen, die SPD 28, FDP 20, Linke 15 und Grüne 13, verteilt auf ihre Landeslisten jeweils.

Die anderen Länder lachen sich vielleicht dieser Tage doppelt ins Fäustchen über ihre bayerischen Kolleginnen und Kollegen und ihre aktuellen Probleme. Aber den Bestuhlungsbeauftragten macht das nervös.