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Money makes the world go round, oder: Rüttgers und der gekaufte Zugang zur Macht

Andrea„Unternehmermillionen kaufen politische Macht“ – so lautet der Titel einer 1953 vom SPD-Parteivorstand herausgegebenen Denkschrift. Schon immer hat das Thema des gekauften Zuganges die Parteienfinanzierung umgetrieben. In den 60er Jahren finanzierte sich die CDU/CSU noch zu etwa 30% aus Unternehmensspenden, ähnlich auch die FDP. Dieser Anteil ist aufgrund der umfassenden staatlichen Finanzierung, die mit dem Parteien(finanzierungs)gesetz seit 1967 gewährleistet wird, deutlich zurückgegangen – allerdings eben nicht vollständig. Somit ist auch das Gebaren der NRW-CDU nicht per se zu verurteilen, schließlich stützen sich alle im Bundestag vertretenen Parteien auf Zuwendungen von Unternehmen. Umgekehrt spenden einige Unternehmen auch an mehrere Parteien, beispielsweise kann in einer Bundestagsdrucksache nachgelesen werden, dass die Daimler AG im Jahr 2009 sowohl CDU als auch SPD 150.000 Euro zukommen ließ. Das Netz von Spendern und Empfängern ist also komplex und bildet damit einen Teil der politischen Praxis in Deutschland ab.

Halten wir also fest: Verwerflich ist nicht die Spende. Verwerflich ist die Gegenleistung, die von der CDU in NRW angeboten wurde, nämlich der Gesprächstermin in kleiner Runde. Diese Praxis hebelt demokratische Gleichheitsgrundsätze aus – auch in diesem Blog wurde bereits darauf hingewiesen, dass Spenden von juristischen Personen einen Beigeschmack haben. Gepaart mit der Möglichkeit, in einem Gespräch direkten oder indirekten Einfluss auf Regierungshandeln nehmen zu können, ist dieses System hochgradig bedenklich. Denn dass es ein Bedürfnis von Wirtschaftsvertretern gibt, mit Politikern in vertrauter Runde Gedanken auszutauschen, zeigt nicht zuletzt der boomende Zweig der Politikberatung, der sich „Public Affairs“ nennt und auf diese Art der Vermittlung, Übersetzung und Zusammenführung von wirtschaftlichen und politischen Akteuren spezialisiert ist. Die Branche selbst ist sich darüber im Klaren, welche Assoziationen Begriffe wie „Lobbying“ hervorrufen, und diskutiert immer wieder lebhaft Selbstverpflichtungen, um „aus dem Schatten“ zu treten. Wenn der Wirtschaft nun aber seitens der Politik direkte Einflussmöglichkeiten angeboten werden, die alles übertreffen, was Agenturen arrangieren könnten, führt dies die dringend nötigen Transparenzdiskussionen ad absurdum.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Unternehmermillionen kaufen politische Macht. Denkschrift, Frankfurt, 10. Mai 1953.

Lars Großkurth: Aus dem Schatten: Lobbyingregulierung als Wettbewerbstool. Zeitschrift für Politikberatung 1(1), 2008.

 

Urteil des Supreme Courts zur Wahlkampffinanzierung – „one man, one vote“ oder „freedom of speech“?

AndreaDer Supreme Court hat gestern der Wahlkampffinanzierung in den USA eine neue Richtung gegeben. Das McCain-Feingold-Gesetz aus dem Jahre 2002, das mit einer Spendenbegrenzung für eine Art „Waffengleichheit“ zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen sorgen sollte, wurde enthebelt – von nun an können Unternehmen und Lobbyorganisationen ihre Kandidaten im Wahlkampf finanziell ohne Obergrenze unterstützen. Der Supreme Court stellt dabei das erste Amendment der amerikanischen Verfassung in das Zentrum seiner Argumentation: „freedom of speech“. Eine Spende ist Ausdruck einer Meinungsäußerung und deswegen vergleichbar mit freier Rede und darf nicht begrenzt werden – so lautet verkürzt der Argumentationsstrang.

Dieses Beispiel zeigt wieder einmal die Schwierigkeiten in der Regelung der Parteienfinanzierung und der (Unternehmens-)Spendenproblematik. Unternehmensspenden sind auch in der Bundesrepublik immer wieder ein Thema, einige führende Politiker sind über Spendenaffären gestolpert – man erinnere sich nur an die Maultaschen-Connection eines Lothar Späth, an die Flick-Affäre, an die nicht genannten Großspender des Altkanzlers Helmut Kohl, an das tragische Spiel mit der CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister u.v.m. „Unternehmermillionen kaufen politische Macht“, so lautet schon der Titel einer 1953 vom SPD-Parteivorstand herausgegebenen Denkschrift. Die Regelungen der Parteienfinanzierung in Deutschland – vor allem die einsetzende staatliche Finanzierung seit 1967 – machen Parteien unabhängiger von Groß- und Unternehmensspenden. Gekoppelt hiermit ist eine nicht übertriebene sondern sinnvolle Veröffentlichungspflicht für Spenden.

Aufgrund wachsender Ausgaben in Wahlkämpfen bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und die staatliche Parteienfinanzierung (diese ist ja in Deutschland abhängig von den Mitgliedsbeiträgen und von den eingeworbenen Stimmen, um der „Verankerung der Parteien in der Bevölkerung“ Rechnung zu tragen) werden Spenden, vor allem Großspenden, wieder deutlich an Gewicht gewinnen.

Welchen Kriterien muss die Parteien- und Wahlkampffinanzierung Rechnung tragen? Es gibt hier kein Patentrezept, oftmals muss zwischen divergierenden Zielvorstellungen abgewogen werden. In der Parteienfinanzierungsforschung wurde auch die Metapher des magischen Vierecks aus dem wirtschaftspolitischen Sprachgebrauch bemüht:

Unabhängigkeit der Parteien und Politiker Transparenz der Parteifinanzen
Chancengleichheit der Parteien und Kandidaten Chancengleichheit der Bürgerinnen und Bürger

Meiner Meinung nach ist die Chancengleichheit der Bürgerinnen und Bürger ohne Zweifel die wichtigste Anforderung an eine demokratische Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Im Sinne dieses Grundsatzes dürfen sich die in der Bevölkerung bestehenden sozioökonomischen Unterschiede nicht im politischen Willensbildungsprozess widerspiegeln. Es gilt, den ungleichen Möglichkeiten der Partizipation durch Geldspenden Einhalt zu gebieten. Als Maßstab für die Chancengleichheit der Bürgerinnen und Bürger muss der strenge und formale Gleichheitssatz gelten. Jeder Bürger hat eine oder doch gleich viele Stimmen oder jede Stimme muss möglichst gleiches Gewicht haben. Dass Spenden und die Stimmabgabe bei Wahlen zumindest vergleichbar sind, hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt: „Der Bürger, der einer politischen Partei Geld spendet, bekennt sich damit in der Regel zu den Zielen dieser Partei, ähnlich wie wenn er ihr seine Wahlstimme geben würde“.