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Welches Auto für den weißrussischen Winter?

 

Lieber Herr Kessler,

ich trau mich ja fast nicht zu schreiben. Aber der Herr aus Vietnam hat mir etwas Mut gemacht. Auch wir arbeiten im Ausland und habe den Wechsel Italien-Belarus mit einem 4jährigen Mercedes A-Klasse 140 absolviert. In Italien gab es überhaupt keine Probleme. Im ersten Winter mit über minus 30Grad in Belarus aber hat überhaupt nichts mehr funktioniert, kein Starten und wenn das Auto mal in Bewegung kam, dann nur tuckernd mit Höchstgeschwindigkeit 10km/h, die Elektronik versagte nahezu ganz. Das alles trotz neuer Batterie und allen Wintervorbereitungen, die man so treffen kann.

Die Rundfahrten zu verschiedenen mehr oder weniger professionellen „Bastlern“ waren landeskundlich interessant, brachten aber kein Ergebnis – wenn man hier westliche Marken fährt, müssen sie Wohnzimmergröße aufweisen, sprich, diese Marke war sehr unbekannt. Einer meinte, der Bordcomputer sei so programmiert, dass ab minus 30 Grad alles automatisch abgestellt wird (er wollte gleich ran und das Ding knacken!). Nach den Wintermonaten reicht ein Blick von unten und die Zweifel, ob das Auto auch noch die nächsten 3,4 Winter überlebt, wachsen.

Dabei war es der erste „Stern“ in unserer „Auto-Biografie“, wir wollten endlich einmal langjährige Qualität. Liegt es daran, dass die Konstrukteure der A-Klasse keine Erfahrungswerte mit Kleinwagen hatten? Welche Marke würden Sie für so ein Klima (plus nicht vorhandene Vertragswerkstätten und schlechtes Benzin) empfehlen?

Mit besten Grüßen

Frau Richter

Antwort vom Autopapst:

Hallo Frau Richter,

herzlichen Dank für Ihre Frage! Da kann sich der Autopapst doch mal wieder richtig produzieren…..

Generell ist zu sagen, daß Mercedes bei der Entwicklung seiner Fahrzeuge natürlich auch Extremtests in Nordschweden, Finnland oder auch in Kältekammern fährt, um die Tieftemperaturtauglichkeit seiner Produkte zu gewährleisten. Trotz allem ist die Autotechnik „im Feld“ bei Temperaturen unterhalb von 30°C an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen.
Wenn Sie die A-Klasse auch in Zukunft in Weißrussland im Winter fahren wollen, rate ich zum Einbau eines Motorheizers (das ist eine Art Tauchsieder, der mit Energie aus dem Stromnetz -der Stecker hängt vorne aus dem Auto heraus- das Kühlwasser im Motorblock vorwärmt). Zusätzlich oder alternativ können Sie eine Standheizung einbauen lassen, die den gleichen Zweck erfüllt. Mit diesen Techniken sind die Autos in Kanada und Schweden serienmäßig ausgerüstet und gewährleisten dort auch bei grimmigem Frost spontane Leistungsbereitschaft. Flankierend empfehle ich vor Beginn der Wintersaison dünnflüssiges Winteröl (z. B. die Viskosität 0W-20).
Leider kenne ich die Verhältnisse in Belarus nicht aus eigener Anschauung; gefühlsmäßig würde ich eine A-Klasse aber für wenig geeignet halten, damit dauerhaft zurecht zu kommen. Wenn ich längere Zeit dort arbeiten würde, würde ich mir aus Deutschland ein älteres, nicht so elektronisch hochgerüstetes Fahrzeug mitbringen. Diese Autos sind hier gerade sehr günstig zu bekommen, da in Deutschland teuer im Unterhalt. Wie wäre es mit einem Mercedes 230 E (W124, Bj. 1986 – 1992)? Oder mit einem Volvo 244? Diese Fahrzeuge sind in den letzten Jahren in großer Zahl „in den Osten“ exportiert worden, sodaß Sie dort mit Sachkenntnis in der Werkstatt und Ersatzteilen vor Ort rechnen können. Allerdings sind die genannten deutlich sichtbar alte Autos, was sich nicht mit jedem Beruf verträgt. Schreiben Sie mir ruhig noch einmal, falls Fragen offen geblieben sind!