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Mit Buddha im Bett

Vorbemerkung: Nein, das ist keine Gefälligkeitsrezension. Ich kenne und schätze Heiko Werning, als Mensch wie als Mitstreiter auf Berliner Lesebühnen. Die nachfolgende Rezension wäre jedoch genau so ausgefallen, wenn ich ihm niemals die Hand geschüttelt hätte.

Lesebühnentexte ins Buchformat übertragen, das geht leider gelegentlich schief. Viele dieser kurzen Texte sind bewusst auf Pointe, auf Effekt geschrieben, was sie nicht schlecht macht, aber letztlich eben doch eine rezeptionsorientierte Art und Weise zu schreiben provoziert, die beim gemütlichen Lesen in der warmen Wohnstube zuweilen geschwätzig oder platt wirkt und nur in bier- und rauchgeschwängerter Atmosphäre zündet. Anders bei Heiko Wernings als „episodischer Entwicklungsroman“ nur mühsam kaschierter Sammlung von Lesebühnentexten namens In Bed with Buddha. Das Leben des Protagonisten wird schlaglichtartig in zwei- bis vierseitigen Texten dargeboten. Die Textsammlung beginnt in der Kindheit und endet freundlicherweise in der Zukunft. Die Themen sind klassisch und stereotyp: Familienbesuche, die erste Liebe, der erste Sex, der erste Umzug, der zweite Umzug, das erste Kind. Und doch gelingt Heiko Werning in seinen Texten etwas sehr seltenes: er bringt einen außerordentlich häufig zum Lachen und man hat ihn von Text zu Text lieber, eben wie so einen Knuddelbuddha. Weil er in einer Drastik vom eigenen Scheitern (oder was „arrivierte“ Menschen dafür halten) spricht, wie man sie nur selten in dieser Form lesen kann, zuletzt vielleicht bei Heinz Strunk (Fleisch ist mein Gemüse). Werning beschönigt nichts, er erzählt von Onanieren, vom von-Frauen-verarscht-werden, von Pommesbudenbesuchen und Dicksein und seiner düsteren Parterrewohnung. Es gibt funkelnde Geschichten mit authentischem Berliner Lokalkolorit (Wedding), DDR-Reminiszenzen, Aufwärmungen längst vergessen gewähnter Alpträume (Taizé-Jugendbewegung), und und und. Der Schwerpunkt liegt in der Berliner Zeit Wernings, mit all dem, was Berlin eben zu Berlin macht: die Ruppigkeit des Weddings, die Herzlichkeit der Menschen, das wunderbare „scheißegal“ der Großstadt.

Das Tolle daran ist: es ist nicht eine schlechte Geschichte dabei. Selten, vielleicht zweidrei Mal stolpert man über ein ausgewalztes Klischee, ansonsten ist „In Bed with Buddha“ ein routiniertes, pointenreiches und extrem kurzweiliges Zeitdokument und Generationenportrait, für mich (Vom Umfang, nicht von der Tiefe her) eine Light-Version von Gerhard Henschels Kindheitsroman.

In Bed with Buddha ist nicht zuletzt ein sehr sinniges Plädoyer für die Provinz und eine liebevolle Enzauberung der Großstadt als Sammel- und Fluchtpunkt der „coolen“ aller Art. Ein bisschen geht es mir mit Wernings Texten so, wie mit der Musik von Manfred Maurenbrecher: Beide sind nach der herrschenden Geschmackspolizei extrem unmodisch und uncool, aber genau das macht sie wahrhaftig und extrem standhaft.

Schönes Buch.

Ach ja, am 24.10.07 um 21 Uhr stellt Heiko sein Buch im Kaffee Burger persönlich vor. Wird vermutlich sehr heiter.

In Bed with Buddha
Edition Tiamat, Klaus Bittermann
ISBN 3-893-20113-0