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Niemand hat die Absicht…

 

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… Weblogs zu regulieren!, stellt die Europaabgeordnete Marianne Mikko jetzt mal klar.

Die arme Estin. Hasstiraden von Bloggern aus ganz Europa sind ihr in den letzten Tagen entgegengeflogen. Denn die Sozialdemokratin hatte sich beklagt, dass in Weblogs oftmals „bösartig“ und mit „undurchschaubaren Motiven“ über die Europäische Union berichtet werde. „Lukaschenka!“, „Ceaucescu!“ habe der Cyberspace sie daraufhin getauft, berichtet sie. „Das war schon hart.“

Natürlich darf Frau Mikko (sie war zwanzig Jahre lang selbst Journalistin) die Inhalte von Wegblogs kritisieren. Wenn sie allerdings gleichzeitig einen Bericht für das Europaparlament verfasst, in dem davon die Rede ist, über den „Status“ von Weblogs müsse diskutiert werden, dann bekommt ihre Kritik gleich einen etwas anderen, nämlich doch regulatorischen Klang.

Nicht gerade beruhigend wirkt auch die Mitteilung der Grünen-Fraktion, das EU-Parlament sei gegen die „übermäßige“ Regulierung von Blogs.

Mit 307 zu 262 hat das Europäische Parlament gestern Mikkos Bericht über „Gemeinnützige Bürger- und Alternativmedien in Europa“ angenommen. Das Papier hält fest, dass Blogger einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten. Die Abgeordneten fordern in der Resolution aber auch eine Diskussion darüber, was Blogger eigentlich sind (Journalisten oder nicht?) und welche Rechte und Pflichten für sie gelten sollten.

Nun könnte man meinen, diese Fragen seien durch die Wirklichkeit längst beantwortet.

Natürlich sind Blogger Journalisten, wenn sie regelmäßig und mit dem Anspruch auf Information über das Weltgeschehen berichten. Ebenso natürlich sagt das noch nichts über die journalistische Qualität ihrer Arbeit aus. In aller Regel wird die schlechter sein als die von professionellen Journalisten, weil viele Hobby-Blogger a) nicht gelernt haben zu recherchieren und zu schreiben und b) ihre Beiträge nicht von anderen Redakteuren gegengelesen und kritisch geprüft werden, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen (mindestens Punkt b gilt übrigens auch für diesen Blog).
Andererseits gibt es Blogger, die in ihrem Spezialgebiet besser informiert sind und beeindruckender arbeiten als bezahlte Journalisten. Einen formalen Anspruch auf Anerkennung als Journalisten, sprich auf einen Presseausweis, haben sie freilich nur dann, wenn sie ihren regelmäßigen Lebensunterhalt aus der Bloggerei bestreiten.

Deshalb nichts wie rübergehuscht ins Parlament und Frau Mikko ein paar Fragen gestellt.

Also, Frau Mikko, was genau wollen Sie eigentlich regeln?

„Ich will darauf aufmerksam machen, dass Weblogs sehr trickreich sein können. Und dass sie bisweilen problematisch agieren, wenn es etwas darum geht, Quellen zu überprüfen oder Informanten geheim zu halten. Das beunruhigt mich ein bisschen. Sie wissen doch, wie viel Macht ein Wort haben kann. Worte können Menschen töten.“

Das stimmt. Aber damit das nicht passiert, gibt es doch längst Regeln in Europas Nationalstaaten, sogar solche, die die Freiheit des Wortes einschränken. Wer einen anderen beleidigt oder verleumdet, macht sich strafbar. Wer zur Gewalt aufruft, macht sich strafbar. Wer seine Informanten verrät, knippst sich als Journalist selber aus. Wer Unsinn berichtet, über den wird berichtet, dass er Unsinn berichtet.

Also, wo ist der Regelungsbedarf?

„Ich rufe dazu auf, dass Blogger wie menschliche Wesen handeln“, antwortet Mikko. „Ich rufe zum Humanismus auf!“

Das ist nie verkehrt. Gleichwohl provoziert es beim kritischen Blogger die Frage: Hat das Europaparlament eigentlich nichts Dringenderes zu tun? Zumal man dreimal raten darf, was aus Mikkos Bericht am Ende werden wird. Die Kommission wird ihn zur Kenntnis nehmen. Und der Rat (also die europäischen Regierungen) wird sich wahrscheinlich niemals mit dem Thema beschäftigen.

Zurück bleibt wieder einmal der Eindruck, dass sich das Europaparlament bisweilen benimmt wie eine NGO: Mit viel Tamtam „Bewusstsein schaffen“ für Probleme, und zwar im relativ sicheren Wissen, dass aus dem Tamtam nie Politik wird.

„Schreiben“, hat Mark Twain einmal gesagt, „ist gar nicht so schwer. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.“

Vielleicht sollte das Europaparlament diese journalistische Weisheit beherzigen, bevor es seine nächste Medieninitiative startet.