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Charmante Realistin

 

Europas neue Außenministerin Catherine Ashton macht dem Brüsseler Parlament die Grenzen ihrer Macht klar. Ein guter  StartAshton Anhörung für die Britin

Das Europäische Parlament hat heute die designierte EU-Außenministerin Catherine Ashton zur Anhörung geladen. Frau Ashton erschien. Die EU-Außenministerin nicht. Fünf Wochen nach der Benennung der Britin durch die 27 Staatschefs der Europäischen Union stellt sich heraus: Europa hat den visionärsten Posten aller Zeiten mit einer Realistin besetzt. In einer drei Stunden langen Anhörung ließ Ashton, durchaus charmant, die Abgeordneten die Grenzen europäischer außenpolitischer Ambitionen spüren. Je größer die Fragen der Brüsseler Parlamentarier, desto kleiner fielen ihre Antworten aus.

Kein Wunder. Die neue „Hohe Beauftragte“ der Union wird zwar künftig die Treffen der europäischen Außenminister leiten und einen eigenen Diplomatischen Dienst bekommen. Aber trotz all der Reformen, die der Lissabon-Vertrag bringt, wird Ashton ebenso wenig die Vorgesetzte der 27 nationalen Außenminister werden wie es ihr Vorgänger Javier Solana war. Die Entfaltung institutioneller Macht, das weiß Ashton, braucht Zeit. Mehr als eine, mehr als ihre Amtszeit, wahrscheinlich sogar.

Was denn ihre strategische Vision für Europa sei, wollte ein Abgeordneter von der ehemaligen Handelskommissarin wissen. „Das“, antwortete Ashton, „ist eine sehr, sehr wichtige Frage.“ Vielleicht, erkärte sie dann, diese: „Wer auch immer (für Europa, Anm. JB) redet, es sollte dieselbe Stimme sein. Die Stimme der 27 Minister, der Kommission, des Europäischen Parlamentes und meine eigene.“

Dieser Wunsch nun ist so alt wie die Europäische Union selbst. „Gibt es außer Lyrik auch Projekte?“, hakte der deutsche Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer nach. „Zum Beispiel zur Wiederbelebung der transatlantischen Beziehungen?“ Antwort Ashton: Nein. Wiewohl: „Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sind von ganz besonderer Bedeutung.“ Das galt auf entsprechenden Nachfragen freilich auch für Indien, Afrika, Asien und Russland. Sie alle sind, wie könnte es anders sein, von besonderer Bedeutung für Europa.

Im Minutentakt und ohne Pause hagelte es Fragen auf die 53-jährige, die Spannbreite der Themen umfasste den gesamten Globus. Ashton überstand diese Tortur mit Einfühlungsvermögen, Humor und einer Mischung aus gekonnten Plattitüden und echter Sachkenntnis.

Hat sie eine Vorstellung, wie Europa in einem reformierten UN-Sicherheitsrat vertreten sein soll? „Ganz ehrlich? Nein, habe ich nicht.“

Wäre sie bereit, militärische Maßnahmen gegen den Iran zu unterstützen, falls er an seinen Bombenplänen festhält? „Darüber brauchen wir Diskussionen. Wir müssen überlegen, welche anderen Maßnahmen, insbesondere wirtschaftliche Maßnahmen, angebracht sind.“

Wie will sie Russland davon überzeugen, Gas nicht mehr als politische Waffe einzusetzen? „Wir brauchen eine Diversifizierung unserer Energieversorgung. Und notfalls müssen wir Druck ausüben.“

Was fällt ihr zu Afghanistan ein? „Wir müssen mehr Polizeiausbilder entsenden.“

Die Frau, so viel wurde heute klar, besitzt zwei große menschliche Qualitäten, Sensibilität und eine schnelle Auffassungsgabe. Zu letzterer gehört aber eben auch, dass sie keine Illusionen verbreitet über ihre Wirkmacht. „Ich will Sie ja wirklich nicht enttäuschen“, beschwor sie die Abgeordneten mehrfach. Aber es ging nicht anders. Der Frage etwa, ob die EU aktiv die Opposition im Iran unterstützen sollte, wich sie aus. Alles andere hätte auch deutliche Reaktionen der EU-Regierungen nach sich gezogen. Für solche Fragen hat Ashton schlicht kein Mandat. Der Lissabon-Vertrag definiert ihre Rolle als Ideengeberin und Besorgerin von Gemeinschaftsbeschlüssen. Diesen Bogen hat Ashton offenbar nicht vor zu überspannen.

„Ich habe den Eindruck, wir wollen mehr für Sie als Sie für sich selber wollen“, bemerkte zum Abschluss der Anhörung der deutsche liberale Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. „Müssten Sie als erste Inhaberin dieses wichtigen Amtes nicht mehr Ehrgeiz zeigen?“

„Ich bin in meinem Ehrgeiz realistisch“, entgegnete die Britin. „Ich muss auch fragen, was ich physisch überhaupt leisten kann.“ Und zu guter Letzt erinnerte sie die versammelten Politiker vor sich daran, was der Unterschied zwischen einem freien Abgeordneten und ihr sei: „Sie sind demokratisch gewählt, ich bin es nicht.“