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G20-Gipfel: Kein Retter aus Fernost

 

Ganz schön viel, was derzeit auf Angela Merkels Schultern lastet. Wenn am Montag im mexikanischen Los Cabos zum inzwischen siebten Mal seit Beginn der Finanzkrise 2008 der G-20-Gipfel beginnt, werden die anderen Teilnehmer wohl vor allem auf die Bundeskanzlerin schauen. Die meisten von ihnen glauben: Nur Deutschland ist imstande, die Krise in der Euro-Zone nach Jahren des Hickhack endlich zu beenden. Und die Stimmung ist gereizt – längst belastet die europäische Krise auch den Rest der Welt.

Merkel hingegen wird versuchen, den Spieß umzudrehen. In ihrer Regierungserklärung vor dem G-20-Gipfel hatte sie bereits erklärt, dass alle G-20-Länder „in der Pflicht“ stünden. Die Euro-Zone könne nicht allein für ein „starkes und nachhaltiges Wachstum sorgen“. Und mit Euro-Zone meint sie vor allem Deutschland, der einzigen großen Volkswirtschaft im Euro-Raum, die überhaupt noch nennenswert Wachstum verzeichnet. Alle anderen befinden sich tief in der Rezession.

Aber hat Merkel Recht? Kann Deutschland die Krise wirklich nicht allein stemmen? Was zum Beispiel ist mit China? Hier rechnet die Weltbank für 2012 immerhin auch weiter mit einem Wirtschaftswachstum von rund acht Prozent. Kann China nicht helfen?

Nun: Im Vergleich zum kriselnden Westen ist acht Prozent freilich noch immer ein Traumwert. Und dennoch: Es ist das schwächste Wachstum seit mehr als einem Jahrzehnt. Die chinesische Führung dämpft die Erwartungen und geht sogar nur noch von 7,5 Prozent aus. Chinas Premierminister Wen Jiabao warnt bereits seinerseits davor, sein Land zu überfordern. „Rechnet dieses Mal nicht mit einer Rettungsaktion aus China“, sagte er, bevor er sich auf den Weg nach Mexiko machte.

Tatsächlich ist derzeit auch die Stimmung in China trübe und in der Wirtschaft überwiegen die Negativmeldungen: Überinvestitionen im Staatssektor bei zugleich zunehmendem Rückgang vor allem im Exportgeschäft – sogar erste Fabriken im bislang so boomenden Süden des Landes machen dicht. Ende Mai sah sich die chinesische Zentralbank erstmals seit fast vier Jahren veranlasst, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte zu senken, um die Unternehmen mit billigeren Krediten zu Investitionen zu verlocken.

Und plötzlich rücken auch die strukturellen Probleme des chinesischen Wirtschaftssystems wieder in den Vordergrund: die staatlichen Banken mit ihrem starren Zinssatz etwa, die vor allem die großen Staatsbetriebe päppeln, aber nur wenig Interesse an der Hilfe des Privatsektors haben.

Nicht, dass ich tatsächlich derzeit mit einer harten Landung in China rechne. Potenzial für hohes Wachstum wird es in China noch eine Weile geben. Wer etwa mal in das chinesische Hinterland reist, wird sehen: Der große Aufbruch hat für viele erst begonnen. Fast die Hälfte der Chinesen lebt noch immer auf dem Land und strebt erst noch in die kontinuierlich weiter wachsenden Städte. Sie sehnen sich nach dem Wohlstand, den ihre Landsleute in den reichen Küstenstädten bereits seit einigen Jahren genießen. Der Nachholbedarf bleibt also gigantisch – und damit auf mittlerer Sicht auch das Wachstum.

Dass das Wachstum aktuell schwächelt, ist zumindest zum Teil von ganz oben gewollt. Der Ausbau der Infrastruktur, das Sozialsystem und vor allem die Umweltschutzmaßnahmen sind  in den vergangenen Jahren den zweistelligen Wachstumsraten nicht mehr hinterher gekommen. Das  Wachstum hat viele Städte überfordert und vor allem den Immobiliensektor überhitzt. Nun zwischendurch mal auf die Bremse zu treten, ist für das Land dringend notwendig. Nur fällt damit China eben als Wachstumsmotor aus.

Das Land ist in den vergangenen Jahren zwar zu sehr viel Wohlstand gelangt. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen, das gerade einmal einem Siebtel von dem der USA entspricht, ist China aber noch lange nicht so weit, ausgerechnet den wohlhabenden Industrieländern aus der Patsche zu helfen. Die Volksrepublik hat noch zu sehr mit eigenen Problemen zu kämpfen. Daher Frau Merkel, bleibt der Zepter in Ihrer Hand.