Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Warum Chinas Banken zu den Größten der Welt gehören

 

Zumindest die Namen der Banken klingen noch nach sozialistischer Planwirtschaft. Die „Industry and Commercial Bank China“ (ICBC) sollte vor allem die Maschinenbauindustrie und den Handel finanzieren. Die „China Construction Bank“ (CCB) war für die Bauindustrie zuständig und die „Agricultural Bank China“ (ABC) für die Landwirtschaft. Alle drei Banken befinden sich zwar nach wie vor in Besitz des chinesischen Staates. Diese strikte Trennung wird aber nicht mehr wirklich eingehalten. Grundsätzlich agieren sie wie andere Geschäftsbanken auch – und sind die größten der Welt.

Wie aus der jährlichen Rangliste der tausend größten und profitabelsten Banken des britischen Branchenmagazins The Banker hervorgeht, besetzen chinesische Banken inzwischen fast alle vorderen Plätze. Mit 43 Milliarden Dollar Vorsteuergewinn ist die ICBC das zweite Jahr in Folge die profitabelste Bank der Welt. Auf Platz zwei und drei folgen die chinesischen Staatsbanken „Construction Bank“ und „Bank of China“ (BoC). Platz vier besetzt die US-Bank Morgan Stanley. Aber schon auf dem fünften Rang kommt mit der Agricultural Bank erneut ein chinesisches Institut. Das überrascht auch deshalb, weil es allen chinesischen Banken nicht erlaubt ist, in der internationalen Hochfinanz mitzumischen und sie außerhalb Chinas so gut wie gar nicht aktiv sind. Sie verdanken ihren Profit überwiegend ihren Geschäftskunden im Inland.

Dass in der Rangliste anders als noch in den Vorjahren vor allem europäische Banken immer mehr nach hinten rücken, hängt sicherlich mit der Euro-Krise zusammen und auch die US-Banken haben sich bei Weitem noch nicht von der Finanzkrise 2008 erholt. Beides ist an chinesischen Banken weitgehend schmerzlos vorbeigegangen. Dennoch lässt sich an dieser Rangliste ein deutlicher Trend ablesen: Haben chinesische Banken zu Beginn der großen Finanzkrise 2007 gerade einmal vier Prozent der weltweiten Gewinne erzielt, liegt ihr Anteil nun bei 29 Prozent. Europa hingegen schrumpft auf magere fünf Prozent. Damit hat sich binnen kurzer Zeit das Machtgefüge in der internationalen Bankenwelt massiv nach Fernost verschoben. Alle asiatischen Geldhäuser zusammen kommen sogar auf einen Weltanteil von 54 Prozent.

Warum Chinas Banken so profitabel sind, hat jedoch auch mit dem spezifischen Bankensystem der Volksrepublik zu tun, das dann doch noch vom Sozialismus herrührt und sich vor allem durch eins auszeichnet: einer starken staatlichen Regulierung und einem festen Zinssatz.

Bis zum heutigen Tag werden in China die Zinsen von ganz oben zentral festgelegt. Was die Banken bei Krediten für Zinsen kassieren und für Guthaben ausgeben, legt der Staat fest. Chinas Banken verdienen dabei ganz gut. Denn sie können sich von der Zentralbank Geld nahezu zum Nulltarif geben lassen. Kredite, die die Banken ausgeben, lassen sie sich jedoch zu dem festgelegten Zinssatz bezahlen.

Diese festen und verhältnismäßig geringen Zinssätze sind eine der wesentlichen Gründe sein, warum vor allem Chinas Staatsunternehmen in den vergangenen Jahren so erfolgreich wurden. Da es für Sparer in China nur wenig Anlagemöglichkeiten gibt, fällt es den Banken leicht, die Sparguthaben der Chinesen einzusammeln und sie an die staatlich kontrollierten Unternehmen weiterzureichen. Sie wiederum werden noch größer und auch international immer erfolgreicher. Die Zinseinnahmen gehen zurück an die Banken.

Der Staat wiederum verdient ganz gut daran, gehören die Finanzhäuser ja letztlich ihr. Und er verfügt mit seiner ihr unterstellten Zentralbank über unmittelbare Steuerungsinstrumente, die sehr viel wirkungsvoller sind als Notenbanken im Westen, die zwar einen Leitzins vorgeben, aber dann den weiteren Verlauf dem freien Markt überlassen müssen. Zugleich hat dieser staatliche Einheitszins zur Folge, dass es unter den Banken in China nur wenig Wettbewerb gibt.

Und da sind wir bei den Schattenseiten dieser Zinspolitik: Da die großen Banken ohnehin über keinen Spielraum verleihen, verleihen sie ihr Geld lieber zuverlässigen Kreditnehmern wie Großkonzernen und Staatsunternehmen. An risikoreicheren mittelständischen und kleinen Unternehmen zeigen sie nur wenig Interesse. Denn anders als bei uns im Westen können chinesische Banken bei ihnen ja auch keine Risikoaufschläge erheben.

Die Folge: Kleine Unternehmen haben mit Kreditengpässen zu kämpfen. Sie müssen auf Schattenbanken ausweichen, die jedoch horrende Zinsen verlangen. In Zeiten sinkender Gewinnerwartungen auch in China geraten viele dieser kleinen Unternehmen nun in Zahlungsschwierigkeiten und gehen pleite. Und auch private Kunden kommen kaum an Verbraucherkredite und vereiteln damit das Ziel der Regierung, die Binnenkonjunktur anzukurbeln.

Bei den großen Staatsunternehmen und den staatlichen Behörden selbst hat das für sie billige Kapital in den vergangenen Jahren hingegen zu einem ausufernden Investitionsrausch geführt. Es erzeugte nicht nur Überkapazitäten, sondern führte wahrscheinlich zu Infrastrukturmaßnahmen, die auch für chinesische Verhältnisse überdimensioniert sind.

Nun hat die Zentralregierung die Probleme erkannt und reagiert. Angesichts der allgemein schwächelnden Weltkonjunktur, die zunehmend auch China trifft, hat die chinesische Zentralbank am Donnerstag nicht nur zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit den Leitzins gesenkt, sondern sehr viel weitreichender: Sie sorgt für mehr Flexibilität im Bankengeschäft erhöhte die maximale Abweichung vom Kreditzins von vor Kurzem noch mickrigen 10 nun auf 30 Prozent. Damit schmilzt die fast automatisch generierte Gewinnmarge der chinesischen Banken zusammen und erhöht den Wettbewerbsdruck, mehr Bonitätsprüfungen durchführen zu müssen und kleineren Unternehmen Kredite sowie Privatkunden Konten mit attraktiveren Guthabenzinsen anzubieten.

Das zumindest ist ein erster Schritt hin zur Zinsliberalisierung, und dürfte Privathaushalten und dem Mittelstand zugute kommen.