Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Altmaier riskiert Handelskrieg mit China

 

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat in Deutschland angesichts der hitzigen Debatte um Strompreise und  Energiewende kein leichtes Spiel. Jetzt muss Altmaier aber noch an einer weiteren Front kämpfen. Als Teil der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ist der Minister am Donnerstag im Tross von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit nach Peking gereist und hat für einige Stunden auch seinen chinesischen Amtskollegen gesprochen. Ein Thema: Die Dumping-Klage der europäischen Solar-Lobby. Altmaier wurde jedoch abgewatscht – und zwar von der Kanzlerin.

Ende Juli – noch rechtzeitig vor Altmaiers China-Reise – haben sich 25 europäische Solarhersteller unter Federführung von Deutschlands größtem Hersteller Solarword zusammen geschlossen und eine Initiative mit dem Namen EU ProSun gegründet. Die Initiative hat sich vor allem ein Ziel gesetzt: Sie will gegen angebliches chinesisches Preisdumping von Photovoltaikprodukten vorgehen.

Europas Solarindustrie sei gar nicht so schwach, behauptet der Verband. Im Gegenteil: Technologisch sogar führend. Die europäischen Solarfirmen würden jedoch im eigenen Markt geschlagen durch „illegales Preisdumping Chinas“. Die Preise für chinesische Solarstrommodule lägen inzwischen sogar unter den Herstellungskosten. Auf diese Weise sei es chinesischen Unternehmen gelungen, ihren Marktanteil in Europa auf über 80 Prozent zu erhöhen. Vor ein paar Jahren habe der Anteil noch bei praktisch null gelegen.

Altmaier fand diese Argumentation offensichtlich einleuchtend und kündigte bereits vor einem Monat in der Fernsehtalkshow Maybrit Illner an, dass er die bei der EU-Kommission eingereichte Dumping-Klage bei seinem Besuch in Peking konkret ansprechen werde. Auch sein Ministerium warf den Chinesen Monopolstreben auf dem weltweiten Solarmarkt vor und beklagte, chinesische Firmen hätten „praktisch unbegrenzt Zugang zu günstigem Kapital“ und damit einen unfairen Wettbewerbsvorteil.

Nur so eindeutig, wie es Altmaier und die Solar-Lobby behaupten, ist es aber nicht. Der angeblich unbegrenzte Zugang zu günstigem Kapital ist bis heute nicht nachgewiesen und die Kreditvergabe wird lokal sehr unterschiedlich gehandhabt. Vor allem kleinere Solarbetriebe beklagen, von den Banken kein Geld zu erhalten. Zudem leidet die chinesische Konkurrenz ebenfalls unter den weltweit fallenden Preisen und viele von ihnen gehen pleite. Das wiederum hängt unmittelbar mit der deutschen Solarförderung zusammen.

Deutschland war jahrelang der wichtigste Markt für die Solarindustrie – wegen der staatlichen Förderung. Schwarz-Gelb hat nun die Subventionen kräftig gekürzt. Damit bricht für fast alle Hersteller der Absatz ein, nicht nur für die deutschen. Den bislang hat kein anderes Land der Welt beschlossen, die Solarindustrie so stark staatlich zu fördern.  Auch in China macht Solarstrom bislang nur einen sehr geringen Anteil aus.

Die chinesische Regierung will dies jedoch ändern und investiert Milliarden Yen in neue Solaranlagen. Da die heimischen Hersteller auf massiven Überkapazitäten sitzen, dürften die chinesischen Firmen Vorzug bei der Auftragsvergabe erhalten. Dieses Recht steht jeder Regierung zu.

China weist denn auch die Vorwürfe aus Europa zurück und warnt: Schutzzölle für europäische Firmen könnten zu einem Handelskrieg führen. Selbst in Deutschland stehen einige Hersteller einer EU-Klage skeptisch gegenüber. „Wir sind für einen offenen und auf Wachstum ausgerichteten Welthandel, in dem sich die besten Produkte und Lösungen durchsetzen sollen“, antwortete mir Heide Traemann, Sprecherin von Bosch-Solar auf Anfrage. Strafzölle seien mit Blick auf dieses Ziel „kontraproduktiv“.

Das sieht offensichtlich nun auch Kanzlerin Merkel so. Sie hatte sich bislang in dem Streit zurück gehalten. Doch bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag mit ihrem Amtskollegen Premierminister Wen Jiabao erteilte sie nun einer Anti-Dumping-Klage eine Absage. Sie wolle den Solar-Streit zwischen Europa und China zunächst friedlich regeln, sagte Merkel. „Wir haben dafür noch Zeit, und es wäre besser, wenn wir das auf dem Gesprächswege lösen“, so Merkel. EU-Kommission und chinesische Stellen müssten gemeinsam nach einem Ausweg suchen.

Ich habe mich in der vergangenen Woche mit dem Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer zum Kaffee getroffen. Und auch er kritisiert die Klage. „Einen solaren Handelskrieg mit China anzuzetteln lenkt von hausgemachten Problemen ab und mobilisiert protektionistische Vorurteile“, schrieb er mir später in einer Mail. Er verwies in dem Gespräch darauf, dass europäische Firmen auch dann mitverdienen, wenn die Solarpanels aus China geliefert werden und beruft sich auf eine Studie des europäischen Solarverbands EPIA. Dieser Studie zufolge liegt der europäische Anteil der Wertschöpfung bei der Installation von Solaranlagen bei über 70 Prozent. „Ich frage mich, worüber wir eigentlich klagen“, so Bütikofer. EPIA selbst will sich ebenfalls nicht an einer entsprechenden Klage beteiligen.

Die USA haben – ebenfalls auf Initiative von Solarworld – in einem ähnlichen Verfahren bereits im Frühjahr Strafzölle gegen chinesische Unternehmen verhängt. Das gilt aber nur vorläufig. Ein endgültiges Urteil steht auch dort noch aus.