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Lieber Smog im Filter als in der Lunge

 

Irgendwann vergangenen Oktober war es in Peking schon einmal so trübe. Die US-Botschaft, die auf ihrem Dach die aktuelle Luftverschmutzung selbst misst und stündlich twittert, vermeldete einen Wert um die 400. So viel Mikrogramm potenziell schädlicher Feinstaubpartikel kleiner als 2,5 Mikrometer schwirren im Schnitt in einem Kubikmeter Luft.

Ab einem Wert von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Alles über 300 gilt als gefährlich. Die Teilchen sind so winzig, dass sie die Lunge durchdringen können und das Risiko für Krebserkrankungen in Herz und Lunge erhöhen. Ab 500 hört das Messgerät der US-Botschaft auf zu zählen. Im Oktober ging ich zum nächsten Elektronikgeschäft und kaufte für umgerechnet rund 300 Euro einen Luftreiniger aus Schweden, der laut Beschreibung angeblich 99,97 Prozent der fiesen Partikel in einem Raum herausfiltert. Auf das Gerät setzte ich auch am vergangenen Wochenende meine Hoffnung.

Seit die Luftverschmutzung in Peking am Wochenende neue Rekordwerte erreichte, sind die Geräte in der gesamten Stadt so gut wie ausverkauft. Auf Taobao, dem chinesischen Gegenstück zu eBay, werden sie bereits für umgerechnet 1.000 Euro und mehr versteigert. Pekings Behörden zufolge lag der Wert des Feinstaubindex am Wochenende zeitweise bei über 700. Die US-Botschaft hatte zwischenzeitlich sogar 884 Mikrogramm gemessen. Wenn auch nicht mehr ganz so extrem hält der Smog auch am Dienstag noch an.

Anders als in der jüngeren Vergangenheit haben bei diesem Smog die chinesischen Medien dieses Mal ausführlich über den extremen Dunst berichtet. Das ist ein gutes Zeichen. Schrieben die staatlich kontrollierten Zeitungen an vergangenen Smogtagen lediglich von „dichtem Nebel“, wird nun immerhin vor den gesundheitlichen Folgen gewarnt: Schlaganfälle, Herzerkrankungen, Atemwegserkrankungen, Geburtsschäden oder Lungenkrebs. Für all diese Leiden klettert das Risko nach oben.

Trotz dieser Gefahren wirken die Pekinger erstaunlich gefasst. Die Stadtregierung hat zwar ihre Angestellten dazu aufgefordert, ihre Autos stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Leerer waren die Straßen aber nicht. Auf den vier großen Ringstraßen staute sich der Verkehr wie an jedem Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. Und auch in den Gassen sah ich die Pekinger im Freien herumwuseln, als handele es sich bei dem nach Schwefel riechenden Nebel bloß um Abenddämmerung. Spielende Kinder waren am Sonntag auf den Straßen in Smogschwaden ebenfalls anzutreffen – viele ohne Mundschutz.

Die waren in Drogerien übrigens ausverkauft. Ich selbst bekam nur die günstigen aus Japan im Dreierpack, die im Gesicht so schlecht sitzen, dass meine Brillengläser beschlugen, während ich atmete. Ein Zeichen, dass sie kaum etwas bringen und mich die Außenluft kaum gefiltert erreicht hat.

Nur was tun? Auf einer chinesischen Webseite stieß ich auf die Empfehlung: Milch trinken. Das würde die Giftstoffe im Körper binden. Das mag auf den Magen zutreffen. Wie das tierische Eiweiß aber Feinstaub in der Lunge binden soll, wird auf der Seite nicht erklärt. Seriös ist etwas anderes.

Bleibt als unmittelbarer Schutz nur der Luftreiniger – auch wenn wissenschaftlich gar nicht erwiesen ist, ob er wirklich hilft. Ein Blick auf den austauschbaren Filter beantwortet mir diese Frage aber: ganz dunkel – nach nicht einmal halbjährigem Betrieb. Und besser, dieser Dreck klebt am Filter als in meiner Lunge.