Schon 2011 wagte der Internationale Währungsfonds die Prognose, China könne bereits 2016 die USA als größte Wirtschaftsnation der Welt ablösen. Damals waren es vor allem chinesische Volkswirte, die die IWF-Berechnungen in Zweifel zogen. „Gegenüber dieser ‚Schmeichelei‘ der internationalen Gemeinschaft muss China kühlen Kopf bewahren“, sagte etwa Chen Fengying von der Tsinghua Universität.
Der Wissenschaftler lehnte den Spitzentitel für sein Land mit der Begründung ab, die internationalen Ökonomen hätten bei dem Vergleich die Kaufkraftparität zu Grunde gelegt und nicht den tatsächlichen Wechselkurs. Die Kaufkraftparität versucht, unabhängig vom täglichen Wechselkurs den Wert des Geldes beim Kauf von Waren zu vergleichen. In der Tat wird sie von Ökonomen zuweilen etwas willkürlich festgelegt. Dennoch ergibt die preisbereinigte Berechnung beim Vergleich von Ländern mit unterschiedlichen Währungssystemen sehr viel mehr Sinn.
Die Industrieländerorganisation OECD kommt nun erneut zu dieser Einschätzung, dass China 2016 die Vereinigten Staaten als größte Volkswirtschaft der Welt überholt haben werde. Die Euro-Zone habe man sogar bereits hinter sich gelassen, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría am Freitag in Peking.
Während Europa und Japan auch in den nächsten Jahren weitgehend stagnieren würden und die US-Wirtschaft vielleicht um zwei bis drei Prozent wachsen werde, entwickele sich China „unaufhaltsam weiter“, urteilt Gurría. „Es sieht halt derzeit einfach nicht gut aus für die alten Industrieländer.“ Auch die OECD bezieht sich bei ihrem Ländervergleich auf die Wirtschaftsleistung nach Kaufkraftparität.
Tatsächlich nimmt es sich gar nicht mehr viel, welche Berechnungsgrundlage angewandt wird.
Die chinesische Wirtschaftsleistung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), lag im vergangenen Jahr bei 52 Billionen Yuan. Das sind umgerechnet derzeit 6,5 Billionen Euro. Das BIP der Euro-Zone betrug 12,8 Billionen Euro. Da der Kaufkraftparität zufolge zum Beispiel ein Apfel in China derzeit etwa die Hälfte von dem eines Apfels in der Euro-Zone kostet, liegt das chinesische BIP preisbereinigt bei 13 Billionen Euro. Nach dieser Berechnung hat China den Euro-Raum überholt, und in vier Jahren werden dann die USA an der Reihe sein.
Doch selbst wenn man den aktuellen Wechselkurs für den Vergleich zugrunde legt, ist China auf dem besten Weg zum Spitzenreiter. Nach dem derzeitigen Wert dürfte sich Chinas BIP im Jahr 2016 auf rund 12 Billionen US-Dollar belaufen, gegenüber den prognostizierten 17 Billionen des US-amerikanischen BIP. Spätestens 2020 wird China auch nach laufenden Wechselkursen die USA überholt haben.
Dieses Mal greift der OECD-Generalsekretär die chinesische Kritik von damals auch gleich auf. Ob die Berechnung der Wirtschaftsleistung nach Kaufkraftparität oder nach aktuellen Wechselkursen erfolge, spiele „für die historische Bedeutung des Ereignisses keine große Rolle“, sagte Gurría. So oder so werde China bis zum Ende des Jahrzehnts an der Spitze des Rankings stehen. Auf ein oder zwei Jahre komme es dann auch nicht mehr an.