Noch vor wenigen Jahren stand China aus Sicht deutscher Unternehmer vor allem für eins: billige Arbeitskräfte. Kaum einer konnte sich vorstellen, dass die Volksrepublik schon bald auch für deutsche Firmen zu einem der wichtigsten Forschungs- und Entwicklungsstandorte werden würde. Doch genau das geschehe nun, berichtet die Außenhandelskammer der deutschen Wirtschaft (AHK) in China.
Die Kammer hat – wie jedes Jahr – 2.200 ihrer in China tätigen Mitgliedsunternehmen befragt und aus den Antworten eine Studie über das Geschäftsklima in der Volksrepublik destilliert. Ein zentrales Ergebnis: „China ist für deutsche Unternehmen auf dem Weg zum Innovationsstandort“, erklärte Jan Haug von der Beratungsfirma Staufen. Er stellte die Studie am Montag in Shanghai vor.
Die Mehrheit der befragten Unternehmen plane, ihre Budgets für Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren zu erhöhen, sagte Haug. Mindestens fünf Prozent ihres Umsatzes wollten sie dafür ausgeben, einige planten sogar Aufwendungen von über 20 Prozent ein. Dabei gehe es ihnen schon lange nicht mehr nur darum, zu Hause entwickelte Waren an die speziellen Bedürfnisse des chinesischen Marktes anzupassen. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gaben an, ihre Produkte und Dienstleistungen zumindest „signifikant verbessern“ zu wollen. Mehr als ein Viertel möchte sogar völlig neue Produkte in China entwickeln und herstellen lassen – auch für den Weltmarkt.
Diese Entwicklung läutet eine neue Phase in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen ein. Noch vor wenigen Jahren kamen viele deutsche Unternehmen nach China, um wegen der geringen Arbeitskosten günstig zu produzieren, häufig für den Export. Heute spielen die geringen Produktionskosten zwar weiter eine Rolle, aber mit abnehmender Tendenz. Nur noch knapp jede fünfte deutsche Firma in China produziert überhaupt noch für den Export.
Der wesentliche Wachstumstreiber für die Unternehmen ist inzwischen aber der gigantische chinesische Inlandsmarkt, den viele direkt von China aus bedienen wollen. Allerdings wird das aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs durch chinesische Firmen immer schwieriger. In der Umfrage gaben nur noch fünf Prozent der deutschen Firmen an, überhaupt keine chinesischen Wettbewerber zu haben. Der Rest sieht sich zunehmender Konkurrenz ausgesetzt.
Um weiter in der Volksrepublik bestehen zu können, überlegt jedes zweite Unternehmen daher, massiv in neue Innovationen speziell für die Chinesen zu investieren. Hinzu kommen staatliche Vorgaben und Umweltauflagen, die ebenfalls neue Produkte speziell für den chinesischen Markt notwendig machen.
Insgesamt sehen deutsche Unternehmen das wirtschaftliche Umfeld deutlich positiver als noch im vergangenen Jahr. Das überrascht, haben sich die Aussichten in der Volksrepublik doch deutlich verschlechtert. 2012 wuchs Chinas Wirtschaft noch fast um acht Prozent. Für dieses Jahr wird nur noch mit einem Wachstum von sieben Prozent gerechnet. Zudem wächst die Sorge vor einer Schuldenkrise. Viele Kommunen und Banken haben horrende Schulden angehäuft und werden nun nach Jahren der allzu lockeren Ausgabenpolitik zum Sparen verdonnert.
Die Mehrzahl der deutschen Firmen in China erwartet denn zwar auch ein weniger starkes Wachstum als in den vergangen Jahren. Dennoch gehen mehr als 2012 davon aus, dass sie ihre selbst gesteckten Geschäftsziele für 2013 erreichen werden. Titus Freiherr von dem Bongart, Vorstandsmitglied der Kammer in Shanghai, spricht „von einem hohen Wachstumsniveau“. Immerhin plane jedes zweite Unternehmen, weiter zu expandieren.