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Der größenwahnsinnige Hafenbaumeister China

 

Noch belegt Schanghai den Spitzenplatz als größte Hafenstadt der Welt. Zehn Hafenanlagen verteilen sich entlang der Flüsse Jangtse und Huangpu über das Stadtgebiet. Der Tiefseehafen Yangsha, rund 30 Kilometer vom Zentrum entfernt, kommt noch hinzu. Pro Jahr werden in der Stadt rund 32 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Zum Vergleich: Die größten deutschen Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven zusammen erreichen mit rund 17 Millionen TEU nicht annähernd dieses Handelsvolumen.

Etwa 550 Kilometer nördlich an der ostchinesischen Küste will man Schanghai dennoch übertrumpfen. Die chinesische Stadt Tsing­tau ist dabei, ihren Hafen auszubauen. Bis zum Jahr 2020 soll er in der Lage sein, jährlich mit gigantischen 42 Millionen TEU zu handeln. Bisher gibt es in Tsing­tau 81 Schiffsanlegeplätze, 112 weitere sind geplant. Zusätzlich besitzt der Hafen von Tsing­tau noch Kapazitäten für den Umschlag von Öl und Eisenerz. Gehen die Pläne auf, würde  die ehemalige deutsche Kolonie Tsing­tau Schanghai bald überholen.

Es sind nicht die einzigen chinesischen Städte, die um die Spitzenplätze im Hafengeschäft wetteifern, trotz zuletzt schwächelnder Wachstumsraten.

Sieben der derzeit zehn weltgrößten Häfen befinden sich in China. Neben Schanghai und Tsing­tau sind das die Häfen von Hongkong, Shenzhen und Guangzhou am Perlflussdelta im Süden des Landes, Schanghais Nachbarstadt Ningbo am Jangtse-Delta und die Stadt Tianjin vor den Toren Pekings. Hinzu kommen Hafenstädte, die außerhalb Chinas kaum jemand kennt: Wenzhou, Xiamen, Dalian, Yantai, Nantong, Bohai, Shantou. Sie alle wollen in Zukunft mindestens 20 Millionen Standardcontainer im Jahr handeln können.

Auch wenn hinter jeder dieser Hafenstädte eine Küstenprovinz steht, die mehr Einwohner zählt als Deutschland: Die Ausbaupläne sind ambitioniert. Und sie bergen Risiken. Schon seit einiger Zeit leiden fast alle chinesischen Häfen unter Überkapazitäten. Ihre Anlagen sind bei Weitem nicht mehr voll ausgelastet. Vor allem das Perlflussdelta im Süden des Landes mit seinen vielen Fabrikanlagen macht derzeit einen schmerzhaften Strukturwandel durch. Der ist politisch gewollt. Die politische Führung will weg von der exportorientierten Billigindustrie, hin zu mehr Dienstleistungen und einer Stärkung des Binnenmarktes. Doch je weniger für den Export produziert wird, desto überflüssiger ist der Ausbau der Häfen.

Am Jangtse-Delta ist die Lage ähnlich wie am Perlfluss. Mit den gigantischen Anlagen von Schanghai und Ningbo befinden sich hier gleich zwei Tiefseehäfen in unmittelbarer Nachbarschaft. Hinzu kommen weitere große Umschlagplätze in Hangzhou und Nantong, die untereinander konkurrieren. Auch in dieser Region wächst der Export nicht mehr mit zweistelligen Raten. In vielen Lagerhallen stapeln sich die Waren.

Das trifft auch die Werftindustrie bemerkbar. Sie zählt neben der Automobilindustrie und dem Stahlsektor derzeit zu den Branchen mit den größten Überkapazitäten. Erst vor wenigen Tagen protestierten ehemaliger Arbeiter vor den Werkstoren von Rongsheng Heavy Industries, einem der größten Schiffbauer in der Volksrepublik. Das Unternehmen hat rund 8.000 der einst 28.000 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt und verhandelt mit der chinesischen Regierung um Staatshilfe.

Dennoch setzt China weiter auf den Ausbau der Häfen, und zwar nicht nur im eigenen Land. Mithilfe chinesischer Hafenbetreiber entsteht derzeit in Sri Lankas Hauptstadt Colombo der größte Tiefseehafen Südasiens. In Nicaragua soll ein chinesischer Investor einen Konkurrenzkanal zum Panama-Kanal bauen, inklusive zweier Tiefseehäfen. Und ebenfalls mit chinesischer Beteiligung entsteht im kenianischen Lamu der größte Hafen Afrikas.