Lesezeichen
‹ Alle Einträge

China wollte zu schnell zu viel

 

Die deutsche Exportwirtschaft dürfte über diese Zahlen wenig begeistert sein. Mit 7,7 Prozent ist Chinas Wirtschaft 2013 genauso schwach gewachsen wie im Jahr zuvor. Die Volksrepublik erlebt damit ihre längste Wachstumsschwäche seit Beginn der Reformen vor 35 Jahren. Und diese Schwäche soll anhalten. Ökonomen gehen davon aus, dass das chinesische Wirtschaftswachstum 2014 noch geringer ausfallen wird. China ist außerhalb der EU der größte Abnehmer deutscher Waren. Trotzdem ist die Entwicklung gut – für China und den Rest der Welt.

Vor allem der Anstieg der Sachinvestitionen (Fabriken, Maschinen) hat sich in China abgeschwächt. Wuchsen sie 2012 noch um 20,7 Prozent, waren es im vergangenen Jahr 1,1 Prozentpunkte weniger. Auch die Industrieproduktion ist mit einem Plus von 9,7 Prozent nicht mehr ganz so schnell gewachsen. Im Jahr zuvor war das Plus noch zweistellig.

Weniger Wachstum in China ist dringend geboten. Als Folge des gigantischen Konjunkturpakets von 2009 hat die Volksrepublik enorme Überkapazitäten geschaffen. Das zeigt sich vor allem in der Stahlproduktion. Allein die Provinz Hebei, die die Stadt Peking umschließt, hat in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres mit 314 Millionen Tonnen so viel Stahl und Eisen hergestellt wie sämtliche EU-Staaten zusammen. Das entspricht dennoch gerade einmal einem Drittel der gesamten chinesischen Stahlproduktion. So viel Stahl benötigt auch China in absehbarer Zeit nicht.

Gigantische Überkapazitäten gibt es zudem bei Zement, Aluminium, Glas und im Schiffsbau. Vor allem die energieintensiven Stahl- und Aluminiumfabriken, zumeist mit Kohle befeuert, sind die Hauptverursacher für den Smog in Peking, Tianjin und anderen chinesischen Großstädten. Auch aus diesem Grund hat die chinesische Regierung vor einigen Wochen verkündet, die Stahlproduktion bis 2017 um elf Prozent zu reduzieren. Allein dadurch werden in der Provinz Hebei 200.000 Arbeitsplätze wegfallen.

Doch auch aus einem weiteren Grund ist es notwendig, dass Chinas Wirtschaft nach Jahren von zweistelligen Wachstumsraten etwas mehr zur Ruhe kommt. Der gesamte chinesische Finanzsektor ist aufgebläht. Weil im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2009 die Nachfrage im Ausland nachließ, hatte Chinas Führung die ihr unterstellten Banken angewiesen, die Kreditvergabe zu lockern, um Investitionen im eigenen Land anzukurbeln.

Die Banken übertrieben es jedoch mit der Vergabe. Lokalregierungen, Staatsunternehmen, aber auch viele Privatbetriebe haben in den vergangenen vier Jahren zu viel investiert. Das Problem: Steht einer Volkswirtschaft zu viel Kapital zur Verfügung, besteht die Gefahr, dass dieses Geld bestimmte Sektoren aufbläht. Häufig passiert dies auf dem Immobilienmarkt – es entstehen spekulative Blasen. Das macht die gesamte Volkswirtschaft verwundbar.

Es wird viele Jahre dauern, bis sich die bereits getätigten Investitionen in China rentieren werden – wenn überhaupt. So manch eine Kongresshalle im Ausmaß der Elbphilharmonie oder ein 500-Meter-Wolkenkratzer in einer unbedeutenden Provinzstadt wird wahrscheinlich nie das investierte Geld einspielen. Sie werden auch in Zukunft nicht gebraucht. Die chinesischen Banken werden noch lange damit beschäftigt sein, diese faulen Kredite aus ihren Bilanzen zu tilgen.

Damit Chinas Wirtschaft nicht noch weiter überhitzt und Unternehmer und Behörden wieder ein Gespür für rentable und wirklich notwendige Investitionen entwickeln, bleibt der Staatsführung kein anderer Ausweg, als das Wachstum auch über 2014 hinaus zu drosseln. Nicht zuletzt die deutsche Exportwirtschaft wird es ihr irgendwann danken.