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Chinas Dilemma mit der Krim-Krise

 

Mit der Krim-Krise hat auch China ein Problem. Die chinesische Regierung stört sich primär nicht so sehr daran, dass Wladimir Putin russische Milizen auf der Halbinsel Krim aufmarschieren lässt und die Ukraine nun zu zerreißen droht. Vielmehr sorgt sich die chinesische Führung um ihre wirtschaftlichen und rüstungspolitischen Beziehungen. Und zwar zu beiden Ländern.

Nach außen hin gibt die chinesische Führung Putin Rückendeckung und beteuert, die chinesisch-russische Freundschaft sei noch nie so gut gewesen. Chinas Außenminister Wang Yi äußerte am Wochenende zwar sein Bedauern über die derzeitige Lage in der Ukraine. Er wies aber zugleich darauf hin, dass es kein Zufall sei, „dass dieser Punkt erreicht wurde“. Die Krise sei „kompliziert“. Allzu sehr will sich die chinesische Führung in dem Konflikt ohnehin nicht einmischen und beruft sich auf ihre Doktrin der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, die sie sich einst selbst auferlegte.

Chinas vermeintliche „Freundschaft“ zu Russland ist aber in Wirklichkeit bei Weitem nicht so eng, wie beide Seiten nach außen hin gern behaupten. So wie sich ganz Ostasien und nicht zuletzt auch die USA über den Aufstieg der Volksrepublik zur militärischen Großmacht sorgt, beäugt auch Russland misstrauisch die Aufrüstung Chinas. Russen und Chinesen teilen sich eine 4.300 Kilometer lange Grenze. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu zum Teil heftigen Grenzstreitigkeiten gekommen.

Trotz der in den vergangenen Jahren enorm gestiegenen Rüstungsausgaben hinkt China technologisch der russischen Waffenindustrie hinterher. Besonders an der russischen Flugzeugtechnik sind die Chinesen interessiert, etwa an speziellen Antriebssystemen für Kampfjets. Russland verkauft China zwar Waffen, doch diese Technik wird den Chinesen vorenthalten.

Deswegen hat sich China an die Ukraine gewandt. Technisch verfügen die Ukrainer über ein ähnliches Wissen wie die Russen. Die personellen Verflechtungen im Militärapparat und in der Waffenindustrie sind nach Auflösung der Sowjetunion grenzüberschreitend eng geblieben.

Die Ukrainer haben wiederum wenig von den Chinesen zu befürchten und verkaufen daher bereitwillig Technologie und Waffen an die Chinesen. Die Ukraine ist dem Ranking des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zufolge inzwischen der neuntgrößte Waffenexporteur der Welt. Ein Großteil davon geht nach China. Unter anderem der bislang einzige Flugzeugträger der Volksrepublik ist aus ukrainischem Bestand.

Erst Anfang des Jahres hat China mit dem inzwischen gestürzten ukrainischem Präsidenten Viktor Janukowitsch ein Sicherheitsabkommen vereinbart. Peking garantiert der Ukraine Beistand im Fall eines Nuklearangriffs. Und auch wirtschaftlich sind die beiden Staaten näher gerückt. Acht Milliarden US-Dollar wollten die Chinesen zuletzt zusätzlich in der Ukraine investieren. Schlägt sich Peking zu sehr auf die Seite Putins, könnte die derzeitige ukrainische Führung diesen Schritt China übel nehmen. Das will die chinesische Führung nicht.

Doch auch mit Russland verbindet die Volksrepublik inzwischen mehr als nur eine strategische Partnerschaft. China bezieht inzwischen einen Großteil seines Erdgases aus Russland. Nachdem Moskau und Peking fast ein Jahrzehnt lang um den Bau einer Pipeline von den Gasfeldern Sibiriens nach China gerungen haben, stehen die Verhandlungen kurz vor ihrem Durchbruch. Mit einer Einigung wird noch in diesem Jahr gerechnet. 

Um die schwere Luftverschmutzung in weiten Teilen des Landes in Griff zu bekommen, muss China von Kohle wegkommen und ist damit jedoch von Gaslieferungen aus Russland angewiesen. Peking will es sich daher mit Moskau nicht verscherzen.

Die Krim-Krise könnte endgültig Chinas außenpolitische Wende eingeläutet haben. Auch die Volksrepublik muss sich künftig entscheiden.