Kundige Anleger warten auf diesen Moment seit Monaten: Chinas größtes Internet-Unternehmen Alibaba hat angekündigt, einen Börsengang vorzubereiten. Noch in diesem Jahr könnte das Unternehmen die ersten Aktien ausgeben.
Analysten schätzen den Wert des Unternehmens auf 120 bis 180 Milliarden Dollar. Als Facebook im Mai 2012 sein Aktiendebüt feierte, nahm das Unternehmen mehr als 15 Milliarden Dollar ein. Alibaba könnte um ein Vielfaches darüber liegen. Es wäre nicht nur der bislang größte Börsengang eines chinesischen Unternehmens, sondern das eines Internet-Unternehmens überhaupt.
Der Englischlehrer Jack Ma hatte das Unternehmen 1999 gegründet. In seiner Heimatstadt Hangzhou war ihm aufgefallen, dass chinesische Firmen zwar imstande waren, so ziemlich jeden Konsumartikel herzustellen. Nur die Außenwelt nahm davon keine Notiz – Marketing gab es nicht. Mit Alibaba schuf er eine Plattform, die chinesische Zulieferer mit ausländischen Kunden zusammenbringt. Das war der Beginn.
Mit seinem Marktplatz Taobao machte Alibaba wenig später Ebay Konkurrenz, woraufhin sich der US-Konzern aus China zurück zog. Mit rund 760 Millionen Produkten von sieben Millionen Käufern allein auf Taobao ist Alibaba zu Chinas größtem Onlinekaufhaus aufgestiegen. Nicht hinzugerechnet sind die weiteren 70.000 Händler und Millionen von Verbrauchern, die sich auf Tmall tummeln, einer zweiten Plattform, die sich auf bestimmte Marken spezialisiert hat. Allein im vergangenen Jahr hat Alibaba Handelswaren im Wert von umgerechnet 173 Milliarden Euro umgesetzt. Das ist mehr als Amazon und Ebay zusammen.
Anders als Amazon verkauft Alibaba keine eigenen Produkte auf seinen Marktplätzen, sondern vermittelt lediglich zwischen Verkäufern und Käufern. Und im Unterschied zu Ebay muss der Anbieter auf Taobao auch keine Gebühren zahlen. Mit Taobao verdient Alibaba allein durch Werbung und zusätzliche Dienstleistungen, die die angebotene Ware aus der schieren Masse hervorhebt. Trotzdem ist Alibaba ist viel profitabler als die amerikanische Konkurrenz. Während Amazon etwa im dritten Quartal 2013 einen Verlust von umgerechnet rund 29 Millionen Euro machte, stieg der Nettogewinn bei Alibaba im gleichen Zeitraum um satte 44,5 Prozent auf 569 Millionen Euro.
Was Alibaba bei seinem anstehenden Börsengang zusätzlich attraktiv macht: Auch mit seinem eigenen Bezahldienst Alipay expandiert der Konzern derzeit kräftig. Ähnlich wie Paypal dient auch Alipay zunächst einmal dazu, den Käufern beim Online-Handel Schutz zu bieten, falls Verkäufer nicht liefern. Doch innerhalb kurzer Zeit hat sich Alipay auch zu Chinas größtem Vermögensverwalter entwickelt. Erst im vergangenem Jahr hat Alipay mit Yu’E einen Geldmarktfonds aufgelegt. Binnen acht Monaten hat er sich nach Angaben des Wall Street Journals zum größten der Welt gemausert.
Chinas streng reguliertes Finanzsystem, in dem bislang nur Staatsbanken den Markt beherrschten, will die chinesische Führung nun aufweichen. Erst vergangene Woche hat sie angekündigt, in einem ersten Pilotprojekt fünf Privatbanken zuzulassen, unter ihnen soll auch Alibaba eine Lizenz erhalten. Da der Konzern bereits über Unmengen an Informationen über kleine chinesischen Unternehmen und ihre Verbraucher verfügt, halten Analysten Alibaba für am besten aufgestellt. Jack Mas einstige Internetklitsche könnte sich schon bald zu einem der mächtigsten Finanzmarktakteure entwickeln.
International aufgestellte Großbanken haben das Potenzial erkannt und wollen zumindest an dem Börsengang schon einmal kräftig mitverdienen. Neben der Credit Suisse und Goldman Sachs ist auch die Deutsche Bank am Börsengang beteiligt. Ihnen winken Gebühreneinnahmen in Höhe von bis zu 260 Millionen Dollar.
Doch ob es sich dann noch wirklich um ein chinesisches Unternehmen handelt? Mit der Ankündigung der Börsennotierung erfolgte am Wochenende zugleich der zweite Paukenschlag: Der Konzern kündigte an, dass es Alibaba nicht an chinesische Börsen zieht, auch nicht nach Hongkong, sondern an die Wall Street. Offiziell äußerte sich die Alibaba-Sprecherin nicht über die Gründe. Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es unverblümt: Anders als in der kommunistisch regierten Volksrepublik sei man in den USA weniger der Behördenwillkür ausgesetzt.