Chinas berühmter Talkshowmaster Cui Yongyuan sorgte vor einem Jahr im chinesischen Internet für eine lebhafte Debatte. Auf seinem Mikroblog hatte er geschrieben: Ein Einkommen von 10.000 Yuan im Monat würde für ein normales Leben in einer Stadt wie Peking nicht mehr ausreichen. Das entspricht rund 1.170 Euro. Das durchschnittliche Einkommen liegt gerade einmal bei der Hälfte.
Und womit sollen erst die Pekinger ihren Lebensunterhalt finanzieren, die vom Mindestlohn leben? Der soll in diesem Jahr zwar um 11,4 Prozent steigen, wie die halbstaatliche Nachrichtenagentur China News Service berichtet. Er erhöht sich damit von bislang 1.400 auf 1.560 Yuan. Umgerechnet liegt er dennoch gerade einmal bei rund 180 Euro.
Chinas Metropolen werden immer teurer. Noch zu Beginn der neunziger Jahre reichte ein Lohn von 100 Euro im Monat in Peking völlig aus. Miete und Strom waren in dem kommunistisch geführten Staat kostenfrei. Heute ist die Situation eine völlig andere – die großen Preissprünge der vergangenen Jahre überfordern inzwischen die meisten Bewohner der Hauptstadt.
Die Löhne sind zwar auch stark gestiegen. Sie lagen 2013 im Durchschnitt bei rund 560 Euro im Monat. Sie können aber bei Weitem nicht mit den steigenden Lebenshaltungskosten mithalten. Die Inflationsrate liegt nach Angaben der Regierung bei zwei Prozent. Das klingt nicht nach viel. Dieser Wert gilt aber für das gesamte Land. In Peking dürfte die Preissteigerungen sehr viel höher sein.
Wie hoch die laufenden Kosten in Peking sind, zeigt eine kleine Bestandsaufnahme: Die Miete für eine Dreizimmer-Wohnung am Stadtrand liegt bei rund 600 Euro im Monat, in der Innenstadt ist sie doppelt so hoch. Die Lebensmittelpreise unterscheiden sich nur noch geringfügig von denen etwa in einer deutschen Großstadt. Nur Dienstleistungen sind in der chinesischen Hauptstadt verhältnismäßig günstig. Ein Besuch in einem durchschnittlichen Restaurant kostet zwischen vier und acht Euro, eine komplette Mahlzeit zubereitet in einer Garküche am Straßenrand ist immer noch für unter einem Euro zu erhalten – entsprechend gering ist jedoch das Einkommen der Betreiber.
Wie viele arbeiten für den Mindestlohn?
Der chinesischen Führung ist das Problem durchaus bewusst. Deshalb wird der Mindestlohn auch jedes Jahr kräftig angehoben. Auch in den kommenden Jahren soll er pro Jahr um zehn bis 20 Prozent steigen. Einen landesweit einheitlichen Mindestlohn gibt es in der Volksrepublik aber nicht. Weil das Lohngefälle vor allem zwischen den Küstenregionen und dem Landesinnern ganz erheblich ist, definiert die Zentralregierung für jede einzelne Region unterschiedliche Mindestlöhne.
Genaue Zahlen, wie viele Pekinger vom Mindestlohn leben, gibt es nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass viele Menschen in Peking zwar arbeiten, in der Hauptstadt aber gar nicht gemeldet sind. Darunter fällt auch die Mehrheit der Wanderarbeiter. Es gibt lediglich vage Schätzungen: Von den rund 25 Millionen Menschen im Großraum Peking leben etwa zwei Millionen am Stadtrand und in Pekings Nachbarprovinz Hebei unterhalb des Existenzminimums. Viele von ihnen betreiben Subsistenzwirtschaft, arbeiten schwarz oder erhalten Geld von Verwandten.
Von einer weiteren Million Menschen ist bekannt, dass sie in der Stadt in Kellerräumen, unter Treppen oder auf Brachen oder Baustellen in notdürftig errichteten Hütten illegal wohnen und sich auf diesem Weg zumindest die hohen Miet- und Wohnkosten sparen. Von den Behörden werden sie geduldet – solange sie nicht im Stadtbild zu sehen sind. Denn Slums, wie es sie in vielen Metropolen Südostasiens oder in Lateinamerika gibt, soll es in der Volksrepublik nicht geben. Allzu sichtbare Barackensiedlungen werden in der Regel von der Polizei gleich wieder abgerissen und die Bewohner verscheucht.
Doch nicht nur für viele Pekinger ist die Stadt nicht mehr bezahlbar. Auch Expatriierte, also ausländische Geschäftsleute, die in Peking arbeiten, beklagen sich zunehmend über die hohen Kosten. Sie pflegen zwar auch einen völlig anderen und sehr viel kostspieligeren Lebensstil. Für sie ist die chinesische Hauptstadt inzwischen Asiens zweitteuerste Stadt.